Die Handlung von Don Giovanni ähnelt den Skandalen, die #metoo zu Tage befördert hat. Heute können wir die narzisstischen Rechtfertigungen des sogenannten Verführers – für Täuschung, Vergewaltigung und Mord – nicht mehr durchgehen lassen. Doch wie können wir den Mythos verhandeln, ohne dabei die männliche Dominanz zu reproduzieren oder uns gemäß der Cancel Culture der medial geächteten Personen und unbequemen Themen zu entledigen?
Nachdem Don Giovanni im ersten Akt durch eine von Donna Anna initiierten Sammelklage als schuldig befunden wurde, ist der Gerichtssaal zum rechtsfreien Raum verkommen. Hier durchläuft er groteske Episoden der Bestrafung, verfremdete Versionen seiner Opfer treiben ihn an die mentalen und physischen Grenzen. Um das Epizentrum der Don Giovanni-Figur zerfällt auch die geregelte Dramaturgie der Partitur. Sie findet eine neue Ordnung, in der Brüche offenliegen, Wiederholungen sich aufdrängen und eine weibliche Autorin die Stimme erhebt: George Sand, eine kraftvolle Kritikerin des Don Juan-Mythos, die im kulturellen Gedächtnis unterrepräsentiert ist. Ein Statuentribunal der Rechtspatronin Justitia konfrontiert Don Giovanni mit Sands unausweichlicher Frage: "Wer bist du? Und warum kann man dich ohne Schmerz nicht lieben?"