Fidelio eilt zu Hilfe
Die ultimative Befreiungsoperation
Beethovens einzige Oper Fidelio gilt als das berühmteste Beispiel für die Befreiungsoper. Obwohl der Begriff erst viel später geprägt wurde, beschreibt die Gattung Opern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts mit hohen humanistischen Idealen, die sich um die heroische Rettung eines Protagonisten aus tödlicher Gefahr drehen. Mit anderen Worten, es beschreibt die Handlung von Fidelio selbst.
Heute, mehr als 200 Jahre nach der Uraufführung ihrer endgültigen Fassung in Wien, wird die Oper ihrem erlösenden Ruf wieder gerecht. Nach über einem halben Jahr geschlossener Türen war die Rückkehr der Garsington Opera zu Live-Aufführungen mit Fidelio eine inspirierende Entscheidung. Praktisch gesehen hat sie ihr Festival 2020 gerettet. Ihre symbolische Wirkung geht jedoch viel tiefer.
Mit ihrer lebensbejahenden Botschaft des Mutes im Angesicht der Bedrohung könnte die Oper nicht zeitgemäßer sein. In Garsington nahm die Anwendung der vom Coronavirus auferlegten Einschränkungen eine ganz eigene Poesie an. Der Regisseur Peter Mumford überarbeitete ein minimalistisches Konzert, das 2016 in der Pariser Philharmonie uraufgeführt wurde. Videomaterial, das eine Gefängniskulisse heraufbeschwört und an Piranesi und Goya erinnert, wird in Schwarzweiß im hinteren Teil der Bühne projiziert. Die Bilder färben sich karminrot, sobald Pizarro (Andrew Foster-WIlliams) mit Gewalt droht.
Wie ein Stummfilm
Mumfords Entscheidung, den gesprochenen Dialog wegzulassen, erweist sich als unerwartet glücklich. Mit der Notwendigkeit, die Aufführungszeit zu verkürzen und die durch das Fehlen von Kostümen und Bühnenbild verursachten Herausforderungen zu lösen, wird der Dialog wie in einem Stummfilm durch erzählerische Titel ersetzt. Das ist gleichermaßen unkompliziert wie wirkungsvoll, so dass die Handlung reibungslos voranschreiten und sich auf die Musik konzentrieren kann. „Es ist eine berühmte Herausforderung für einen Regisseur, diesen gesprochenen Text einzubauen, ohne den Fluss des Stücks zu unterbrechen‟, bemerkt Mumford in seinen Notizen. „Mit anderen Worten, das Drama in Fidelio wird oft durch die Musik und nicht durch die Handlung ausgedrückt.‟
Die Musik, die von einem verkleinerten Orchester von 13 Musiker*innen unter dem künstlerischen Leiter der Garsington Opera, Douglas Boyd, vorgetragen wird, ist in der Tat großartig. „Weit davon entfernt, die Üppigkeit eines vollen Streicherklangs zu vermissen, konnten wir jede Nuance von Beethovens Einfallsreichtum bei der Konstruktion von Melodien, Harmonien und rhythmischen Mitteln hören. Jedes Mal, wenn eine einzelne Note eine besonders gelungene Veränderung in der Harmonie bewirkte, wurde uns diese Note deutlich signalisiert, ohne dass das Orchester sie verbergen konnte - eine wahre Offenbarung der Musik.‟ (David Karlin, Bachtrack)
Eine erstklassige Besetzung