PROLOG
Wenig geöffneter Vorhang, in den Hintergrund führende Straße des Vorspiels, schwach angeleuchtet: Monsieur Emile, ein irdisch-überirdisches Wesen, der befrackt-beflügelte »rettende Engel«, kündigt eine »banale Geschichte« an, eine Liebesgeschichte aus der Gegenwart, die er reflektierend begleiten und in die er aktiv eingreifen werde, wenn die Liebenden oder die Autoren nicht weiter wüßten.
Vorspiel, zwei Häuser, durch eine Straße getrennt, links das deutsche, rechts das französische Haus, schwarz-weiß-roter und blau-weiß-roter Grenzpfahl; beide Häuser zu ebener Erde geöffnet, so daß man in die jeweiligen Zimmer sieht; nach oben Fensterfront: Vater und Sohn Albert hören aus dem Radio Musik aus Beethovens FIDELIO, die durch die Sondermeldung der Mobilmachung jäh unterbrochen wird. Die Einberufung gilt Albert, dem jungen Oboisten mit Mendelssohn-Stipendium, der kurz vor seinem Diplom steht. Sein Vater, ein alter Sozialdemokrat, verdammt lauthals das todbringende Lügenregime und gibt der Hoffnung Ausdruck, Albert könne wenigstens im Musikkorps dienen.
Auf der französischen Seite entnehmen Germaine und ihre Tochter Yvette der Zeitung die Mobilisierung der Deutschen. Ehemann und Vater Paul war im ersten Weltkrieg gefallen. Im Gegensatz zu der Mutter hat Yvette, die 28jährige Klavierstudentin, keine Angst vor dem Krieg: Sie hat sich den Kinderglauben an den Schutzengel bewahrt.
I. AKT
1. Bild – Konzertsaal und Foyer in Paris, Winter 1941/42: Während das Publikum scharenweise der zwölftönigen Klaviermusik den Rücken kehrt und besänftigt erst zu Franz Liszts Liebestraum in den Saal zurückkehrt, finden sich Yvette und Albert in ihrer gemeinsamen Liebe gerade zur Neuen Musik wieder. Sie waren sich schon vorher im »Moulin de la Galette« begegnet und hatten einander in Razzien geholfen. Mit der Begründung, daß alle Menschen gleich seien, lädt die Mutter die beiden ein.
2. Bild – ein kleines Café an der Place Pigalle, Spätherbst 1943; Spätdämmerung: Albert und Yvette versichern sich ihrer Liebe und schwören, sich nie zu trennen.
3. Bild – Teil eines Platzes in Paris, 21. Aug. 1944; Morgendämmerung: Albert beschließt, seiner Truppe zu folgen, und appelliert an Yvettes Vernunft, die ihn bei sich verstecken will. Yvette jedoch glaubt nicht mehr an die Befreiung durch »Gewehre und Blut«, sie glaubt nur noch an die »Liebe, die stärker ist als Haß«.
II. AKT
4. Bild – Barackenlager in Frankreich, Aug. 1945; gegen halb sieben Uhr abends, Sonne: Während die deutschen Soldaten ihr Los beklagen, sehnt sich Albert nach Yvette, Emile sieht sich gezwungen einzugreifen, da die Geschichte, zu traurig, nicht weitergehen könne. Er zaubert eine schweizerische Idylle.
5. Bild – »zwischen Chur und Wallenstadt ein Chalet mit Blumenpfad«: Yvette findet in Emile ihren Schutzengel und fleht ihn an, ihr zu sagen, ob Albert noch lebe und wo er sei. Emile weiß Antwort und Rat: Albert arbeite bei einem Instrumentenbauer in Epernay, dieser suche für Exportgeschäfte eine deutsch sprechende Sekretärin. Emile wird Yvette auf seinem Flugmantel zu Lejeune-Frères bringen, damit sie der Stellenausschreibung in France-Presse zuvorkommt.
6. Bild – Büro- und Verkaufsraum des lnstrumentenmachers Lejeune-Frères, Epernay, Sept. 1945; heller Tag, gegen Mittag: Albert soll die Deutschkenntnisse Yvettes auf die Probe stellen; sie wird eingestellt.
7. Bild – amphitheatralisch gebauter Raum des Tribunals, nach 1945; alles liegt vorläufig im Dunkel, Licht nur vorn: Die Trauung von Yvette und Albert wird zunächst von einem Tribunal hartnäckig angefochten: »Keine Ehe zwischen Feinden«. Yvette kann mit der »Stimme, die in Tausenden von Herzen tönt«, das Tribunal noch nicht ganz umstimmen. Emile kommt nochmals zu Hilfe: Er zeiht das Tribunal der Inhumanität und preist Yvette: »Meine kleine Leonore«, eine Frau, »die der Narrheit der Welt den Mut ihres Herzens« entgegensetzte. Die Trauung kann über die Bühne gehen.