Eine schicksalhafte Anziehung: Kino und Oper

Die Assoziation zwischen der Oper und dem Kino geht zurück bis zur Erfindung des Mediums Film: Kinopioniere wie Meliès und Edison produzierten Stummfilme über die Oper.  Vielleicht hofften sie darauf, dass das Prestige der Oper auch der aufkommenden Filmindustrie zu höherem Ansehen verhelfen könnte. Oper und Kino haben vieles gemeinsam, sie beide benutzen Musik, Theater, Tanz und andere Kunstformen simultan. Dadurch erfüllen beide Wagners ästhetische Idee des Gesamtkunstwerks.

Diverse Querverweise und gegenseitige Inspiration haben zu verschiedenen interessanten Experimenten geführt.

Auftakt: Von Kino und Oper adaptierte Literatur

Traditionellerweise war die wichtigste Quelle für Geschichten, sowohl für die Oper als auch für das Kino, die Literatur. Gestern wie heute bieten große Romane endloses Material für Kino und Oper, so wie beispielsweise Camille (Verdis La traviata / Baz Luhrmanns Moulin Rouge!), Pygmalion (My Fair Lady – sowohl Opern- als auch Filmadaption) oder der Schaum der Tage (adaptiert von Michel Gondry für die Leinwand und von Edison Denisov für die Bühne) um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Gerard Mortier, Dramaturgy of a passion
Die Oper und das Kino haben viele Gemeinsamkeiten. Nicht nur hat das Kino die Oper seit dem zweiten Weltkrieg in vielen Bereichen entthront, wie dem Bereich des Spektakels, des Realismus, ja sogar des „Glamours“ (…)  dennoch sind die beiden grundverschiedene Künste, auch wenn das Kino schlussendlich viele Funktionen übernommen hat die ehemals von der Oper erfüllt wurden. Diese Unterschiede ergeben sich aus der direkten Beeinflussung durch das Publikum welche beim Film nicht existiert.

Erster Akt: Die Oper im Kino

Das Kino hat eine langanhaltende Faszination für das Opernmedium. Die Oper ist sowohl als Setting als auch als Subjekt für das Kino genutzt worden. Von romantischen Komödien bis zu Actionfilmen, Opernszenen tauchen in einer Vielzahl von Genres auf. Egal welcher Film, Szenen in oder rund um die Oper repräsentieren meistens einen Handlungshöhepunkt. In dem James Bond Film Ein Quantum Trost (2008) findet eine der wichtigsten Actionszenen während einer Aufführung von Puccinis Tosca in Bregenz statt und spiegelt dabei genauestens wieder was sich auf der Bühne abspielt – Exekution und Sprung in die Leere mitinbegriffen. In Amadeus (1984) bringt die Premiere der Hochzeit des Figaro – nacherzählt von Antonio Salieri – den Kaiser zum Gähnen, was eine Wende von Mozarts Schicksal markiert.

Das Kino verfügt außerdem über die Möglichkeit die visuellen Elemente der Oper zu erweitern: Kameras können Gesichtsausdrücke durch Zoom näherbringen, visuelle Elemente können hergestellt werden, Filmmontage kann die Bedeutung einer Szene verändern. Statt die Opernerfahrung zu ersetzen können auf Opern basierende Filme eine andere, ergänzende Interpretation zum Opernrepertoire hinzufügen: sie werden ein eigenständiges Genre, welches bereits als „Opernfilm“ bezeichnet wurde. Hoffmanns Erzählungen (1951) von Powell und Pressburger zum Beispiel nehmen den Zuschauer mit in eine phantasmagorische Welt voller animatronischer Technicolor-Puppen, Kurtisanen und verrückten Wissenschaftlern.

Loseys gefilmte Version von Don Giovanni (1979), welche in venezianischen Villas des italienischen Architekten Palladio aus dem 16. Jahrhundert gedreht wurde, stellt die revolutionäre Kraft der beiden Künstler einander gegenüber und findet dabei neue politische und spirituelle Bedeutung in ihren Werken.

Etwas Seltener diente die Oper dem Film auch zur Inspiration bezüglich der Handlung: in Cronenbergs M. Butterfly (1993) widmet sich der Regisseur den Themen des Orientalismus und der verbotenen Liebe aus Madame Butterfly, versetzt die Handlung jedoch ins Peking der 1960er.

Zweiter Akt: Das Kino in der Oper

Mit Ausnahme von Alban Bergs Lulu (welche durch Pabsts Stummfilm Pandora’s Box aus dem Jahre 1928 direkt inspiriert wurde), ist die Adaption von Filmen als Opern eine eher neue Entwicklung in der Opernwelt. Sie stellt jedoch ein schnell wachsendes Genre dar: nach und nach werden immer mehr Film-basierte Opern in Auftrag gegeben. Auf die gleiche Weise wie beliebte Bücher im 19. Jahrhundert der Oper Handlungen lieferten wenden sich heutige Komponisten an populäre oder relevante Texte um das Publikum anzulocken, wie zum Beispiel Thomas Adès mit seiner sehr erfolgreichen Operninterpretation von Luis Buñuels Der Würgeengel. Ingmar Bergmans Werk ist ein Favorit der Komponisten, wurden doch gleich zwei seiner Filme in Opern verwandelt (Autumn Sonata von Sebastian Fagerlund und Persona von Keerlin Makan). Dies dürfte jedoch niemanden überraschen, wenn man bedenkt, dass der schwedische Regisseur von intimen, Kammer-artigen Filmen selbst ein großer Opern-fan war und auch selber den Opernfilm die Zauberflöte (1975) drehte!

Nachspiel

In der Zukunft werden Kino und Oper immer mehr miteinander kooperieren. Die Oper im 21. Jahrhundert kämpft mit neu produzierter Musik um Relevanz und das Kino verliert langsam sein Publikum an premium On-Demand Serienanbieter. Dieses Tief gibt den Beiden eine Chance, sich zusammenzuschließen und gemeinsam neue Kunstformen zu schaffen. Dabei könnten sie ihre Erfolgsgeheimnisse teilen, um gemeinsam Erfolg zu ernten.