Orphée aux Enfers
Festival d’Aix-en-Provence

Orphée aux Enfers

Offenbach
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Streamed am Streamed bis Aufnahme vom
Gesungen auf
Französisch
Untertitel auf
Englisch
Französisch

Hier wird die tragische Geschichte des Liebespaares Orpheus und Eurydike aus einem völlig irrelevanten Blickwinkel betrachtet. Jacques Offenbach hat mit seinem Librettisten Hector Crémieux und Ludovic Halévy eine wunderbare Reihe von himmlischen Figuren geschaffen, die sich in häusliche Possen verstricken. 

Eurydike, die Hauptfigur, hasst die Musik, die ihr Gemahl Orpheus, ein bescheidener Musiklehrer aus Theben, personifiziert. Aristäus, ein Hirte und göttlicher Verführer, ist in Wirklichkeit Pluto selbst in Verkleidung. Jupiter, der Göttervater, ist ständig auf der Jagd nach den Damen. Ja, die Göttinnen und Götter sind des Alltags auf dem Olymp überdrüssig und suchen nach Abwechslung. Voller Neugier auf die schöne Entführte und den Wettstreit zwischen Jupiter und Pluto um die Gunst von Eurydike begibt sich die illustre Gesellschaft auf einen Höllenritt in die Unterwelt, der im wohl berühmtesten Can-Can der Musikgeschichte gipfelt. In dieser bezaubernden Inszenierung des Festival d'Aix-en-Provence von 2009 mit einer jungen Besetzung der Europäischen Musikakademie verlegt Regisseur Yves Beaunesne die Handlung in die 1940er Jahre und verteilt sie auf die vier Etagen eines bürgerlichen Wohnhauses. Von der Küche (Orpheus' Wohnung) bis zum Dachboden (Unterwelt), über das Esszimmer (Olymp) und das Schlafzimmer (Plutos Boudoir) gelingt es ihm, den ganzen Humor und die Eleganz von Offenbachs satirischem Meisterwerk herauszukitzeln.

BESETZUNG

Euridice
Pauline Courtin
Orphée
Julien Behr
Aristée / Pluton
Mathias Vidal
Jupiter
Vincent Deliau
L’Opinion Publique
Marie Gautrot
John Styx
Jérôme Billy
Mercure
Paul Cremazy
Cupidon
Emmanuelle De Negri
Diane
Soula Parassidis
Vénus
Marie Kalinine
Minerve
Estelle Kaique
Junon
Sabine Revault d'Allonnes
Chor
Chorus of Festival d’Aix-en-Provence
Orchester
Camerata Salzburg
...
Musik
Jacques Offenbach
Text
Hector Crémieux
Ludovic Halévy
Dirigent
Alain Altinoglu
Regie
Yves Beaunesne
Dramaturgie und Anpassung der Dialoge
Marion Bernède
Chorleitung
Nicolas Kruger
Choreografie
Jean Gaudin
Bühne
Damien Caille-Perret
Licht
Joël Hourbeigt
Kostüme
Patrice Cauchetier
Frisur und Make-Up
Catherine Saint-Sever
...

Videos

Ausschnitt

Partons, partons !

Voller Neugier auf die schöne Entführte und den Wettstreit zwischen Jupiter und Pluto um die Gunst von Eurydike begibt sich die illustre Gesellschaft auf einen Höllenritt in die Unterwelt.

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Hinter den Kulissen

Yves Beaunesne (Regisseur)

Yves Beaunesne inszenierte Orphée aux Enfers beim Festival d'Aix-en-Provence 2009. Anlässlich der Ausstrahlung auf OperaVision blickt der Regisseur dreizehn Jahre später auf diese Produktion zurück und teilt mit uns einige Gedanken über Offenbach und seine politische und soziale Satire.

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HANDLUNG

I. Akt

1. Bild
In der Umgebung von Theben leben Orpheus, ein Geigenlehrer, und Aristeas, ein Bienenzüchter. Die öffentliche Meinung wacht über die Moral ihrer Landsleute. Eurydike verschmäht die eheliche Wohnung, um sich bei ihrem schönen Nachbarn herumzutreiben. Orpheus, der aus der Schule nach Hause kommt, macht aus seiner Verärgerung keinen Hehl und es kommt zu einem heftigen Streit. Alles scheint gut zwischen ihnen zu sein. Doch Eurydike zittert um Aristeas: Es scheint, als habe Orpheus auf dem Feld eine Falle für sie aufgestellt. In Wahrheit ist es Aristeas, der Eurydike in eine Falle locken will. Zur Freude des Bienenzüchters, der kein anderer als Pluto und entschlossen ist, seine geliebte Eurydike in das Reich der Hölle zu bringen, erliegt sie ihm prompt. Als Orpheus zum Abendessen zurückkehrt, erfährt er vom Tod seiner Frau. Er hat keine Zeit, sich zu freuen, denn die öffentliche Meinung ruft ihn auf den Plan: Er wird alle seine Einkünfte verlieren, wenn er nicht abreist, um Eurydike zurückzuholen.

2. Bild
Auf dem Olymp schlafen die Götter mit Ausnahme von Amor und Venus, die sich aus dem Haus geschlichen haben, und Diana, die betrübt vom Bad zurückkehrt, wo sie ihren Aktäon nicht gefunden hat. Jupiter wettert gegen die lässigen göttlichen Sitten und Juno wirft ihm seine wiederholte Untreue vor.
Dabei hat er mit Eurydikes Fall nichts zu tun. Auf Merkurs Hinweis hin ruft er Pluto zu sich. Dieser tut so, als würde er sein Schicksal bedauern, wird aber von einer Demonstration der Götter unterbrochen, die von ihrem Leben auf dem Olymp und von Jupiters Heuchelei genug haben. Als die öffentliche Meinung und Orpheus nach Eurydike verlangen, beschließt der gesamte Olymp, in die Unterwelt hinabzusteigen: Jupiter aus Neugierde auf die schöne Frau, die anderen Götter, um sich ein wenig zu amüsieren.

II. Akt

3. Bild
Eurydike, die in Plutos Boudoir eingesperrt ist, langweilt sich bereits, zumal ihr Kerkermeister John Styx, der dazu neigt, zu viel Wasser aus dem Lethe zu trinken, sie mit seinen Liebesseufzern und seiner Lebensgeschichte nervt. Styx hat gerade genug Zeit, sie zu verstecken, als Pluto in Begleitung des misstrauischen Jupiters auftaucht, der nach der jungen Frau sucht und sie schließlich hinter einer geschlossenen Tür aufspürt. Amor verwandelt ihn in eine Fliege, die durch das Schlüsselloch fliegt und die kokette Frau anlächelt. Eurydike freut sich über die Begegnung und sie entkommen gemeinsam.

4. Bild
Beim Bacchanal, das die Unterwelt ihren Gästen im Olymp darbietet, singt die als Bacchantin verkleidete Eurydike den Ruhm des Bacchus, dann befiehlt Jupiter ein königliches Menuett, und alles endet in einem höllischen Galopp. Die frisch Verliebten wollen gerade fliehen, als der eifersüchtige Pluto sie aufhält und Jupiter an seine Pflichten erinnert. Gerade jetzt kommt Orpheus, der von der öffentlichen Meinung geleitet wird. Die Begegnung ist feierlich. Um seinen Ruf zu schützen, gibt Jupiter vor, Orpheus' Bitte zu erfüllen, stellt aber eine ausdrückliche sowie unerklärliche Bedingung: Er darf sich beim Verlassen des Hauses nicht zu seiner Frau umdrehen. Um ihn zu dieser verhängnisvollen Bewegung zu zwingen, schickt der Gott einen Blitzschlag. Orpheus dreht sich mechanisch um. Um die Befreiung Eurydikes zu bestätigen, verwandelt Jupiter sie in eine Bacchantin.

EINBLICKE

Vier Fragen an Regisseur Yves Beaunesne

Wie gehen Sie mit den beiden Versionen des Werks und seinen Dialogen um?

Orpheus in der Unterwelt ist Offenbachs schärfstes Werk, eine Schärfe, die er 1874 wieder aufleben ließ. Offenbachs verheerender Humor löst zwei Lacher aus: Ein leichtes Lachen durch die politische und soziale Tragweite, ein großes, ehrliches Lachen durch seinen Umgang mit der Mythologie. Um die ursprüngliche Radikalität wiederzufinden, muss man diese Proportionen umkehren: Die Mythologie gehört nicht mehr zu unseren Referenzen, obwohl sie eine Säule der klassischen Geisteswissenschaften war, die die Bourgeoisie bildeten. Das Werk buchstäblich wiederzugeben hieße heute, seinen Geist zu verraten. Ich hielt es für unerlässlich, das Stück zu transponieren, um einen Bezug zur Epoche und zur Gesellschaft herzustellen, der dem entspricht, was Offenbach und seine Librettisten vorschlugen. Dies entspricht dem Ansatz des Komponisten, der nie davor zurückschreckte, etwas umzuschreiben, um die Wirksamkeit einer Aufführung zu gewährleisten. Wir haben die gesungenen Texte natürlich nicht verändert: Nur die gesprochenen Dialoge wurden umgeschrieben, um die Sozialkritik hervorzuheben, die im Mittelpunkt des Werks steht und ihm seine heutige Relevanz verleiht.

Ist der Bruch des mythischen Paares von Anfang an irreparabel?

In Orpheus in der Unterwelt erinnere ich mich an "Enfers" (Unterwelt). Der schrille Witz des Werkes ließ uns an die Pariser Kabaretts der 1930er Jahre denken, an seine Vitriolmalerei einer Welt, die sich austobt, dem Vergnügen und ihrem Untergang entgegenläuft und in der jeder versucht, seine Haut zu retten. In dieser Welt nimmt Eurydike eine zentrale Position ein: Da sie niemandem gehört, wird sie zum Spielball aller, sie wird ausgewählt, anstatt zu wählen. Wir stellen sie uns als kleines Pariser Dienstmädchen vor, wie es in den bürgerlichen Vierteln, aber auch in der Literatur und in der männlichen Vorstellungswelt zu finden war. Sie ist versucht, den sozialen Fahrstuhl zu benutzen und wird dabei Federn lassen, vielleicht sogar völlig zerrieben werden. Die Figuren im Stück sind schwarz und grau, nur sie selbst behält einige Farben durch ihre Freiheit und ihre innere Freude, die uns berühren. Mit ihrer virtuosen Partitur, ihrer musikalischen Flatterhaftigkeit, die sich der kartesianischen Logik der Menschen entzieht, erinnert sie mich an den Kanarienvogel im Käfig, den die Bergleute mit in die Stollen nahmen und dessen letzter Schrei die drohende Gefahr anzeigte.

Welches Bühnenbild haben Sie sich für Orpheus in der Unterwelt vorgestellt?

Auch wenn Offenbach sein Werk in einer Zeit des politischen Regresses und der wirtschaftlichen Explosion konzipiert, die der unseren nahe kommt, mussten wir es in einer Zeit und einem Raum ansiedeln, die es für uns wirkungsvoller machen. Die Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg, die Hauptstadt und ihre wohlhabenden Herrenhäuser schienen uns mit dem Geist des Werks in Einklang zu stehen. Die Vertikalität des Bühnenbildes, das sich über die vier Stockwerke eines bürgerlichen Hauses mit seiner metaphorischen Logik der Treppen erstreckt, suggeriert nicht einen Abstieg, sondern einen Aufstieg in die Hölle.

Unterwelt. Die allgemeine Bewegung ist die eines Amoklaufs, einer immer zügelloseren Ausgelassenheit, immer stärkerer und brutalerer Vergnügungen. In Paris kann die Aufwärtsbewegung für die Bourgeoisie gleichbedeutend mit Gefahr sein: Es geht hinauf nach Belleville, Buttes Chaumont, Butte Montmartre, Moulin-Rouge, in die Vergnügungsviertel oder in die Enklaven des Volkes, wo Aufstände geschürt werden. Die Marseillaise, die im Chor des Aufstands der Götter erklingt, wird erst 1879 wieder zur Nationalhymne. Was Eurydike, die in dieser Gesellschaft eingesperrt ist, auflauert, ist die Anbiederung auf ihre Kosten, die der abschließende Cancan verspricht. Sie spielt ein dramatisches Spiel mit den Karten der Komödie.

Hat der Mythos in dieser Sicht auf das Werk überhaupt noch Platz?

Es ist der Mythos, der die Freiheit, den metaphorischen Umweg und die Offenheit für Träume garantiert. Der von Natur aus formbare Charakter des Mythos erlaubt so das Eindringen der Figur der öffentlichen Meinung, die für Orpheus' Aufbruch in die Unterwelt so wichtig ist und ein Jahr zuvor die Prozesse von Madame Bovary und Les Fleurs du Mal ausgelöst hat... Der Traum, der aus der Musik und ihren Verzerrungen mit dem Text entsteht, gibt den Figuren eine Chance. Etwas in der Musik erzählt weiter vom Mut der Eurydike, für die Offenbach eine große Zärtlichkeit empfindet und die er in unsere Herzen pflanzt. Durch diese Figur verströmt die Partitur eine Menschlichkeit und Freundlichkeit, in der Nietzsche die höchste Form von Offenbachs Spiritualität sah: "französische Musik mit einem Voltaire’schen Geist, frei, übermütig, mit einem kleinen sardonischen Grinsen". Bei ihm hat das Lachen die überlegene Fähigkeit, die kurzsichtige Realität zugunsten eines besseren Morgens zu überlisten.

Ein Gespräch mit Agnès Terrier aus dem Programmheft vom Festival Aix-en-Provence 2009