Cleopatra in Berlin
Ein Markenzeichen von Barrie Koskys Arbeit an der Komischen Oper ist die Wiederentdeckung der Operetten, die in der silbernen Zwischenkriegszeit geschrieben wurden. Die Komponisten Paul Abraham, Emmerich Kálmán, Oscar Straus, Kurt Weill und Jaromír Weinberger ließen ihre vernachlässigten oder verdrängten Werke in schillernden Inszenierungen wieder auferstehen, die begeistert aufgenommen wurden. Was hat zur Wahl der einzelnen Titel geführt? Koskys Antwort lautet: „Es ist immer ihre musikalische Qualität“.
Oscar Straus brachte seine Perlen der Kleopatra 1923 in seiner Heimatstadt Wien zur Uraufführung; im folgenden Jahr erreichte sie Berlin. Seine Musik verbindet die Wiener Operettentradition mit der Jazzwelt des Berlin der 1920er Jahre. Sie atmet Berliner Luft, und das Ägypten ihres vermeintlichen Schauplatzes ist ein kaum getarntes Berlin. Sie wurde geschrieben, um die Talente von Fritzi Massary zu zeigen, einer in Wien geborenen Frau jüdischer Abstammung, die sowohl als Schauspielerin als auch als Sängerin berühmt ist. Sie war ein unangefochtener Star der Berliner Revue-Szene, sang aber auch die Lustige Witwe für Bruno Walter, bevor sie 1933 gezwungen wurde, Berlin zu verlassen. Oscar Bie beschrieb sie 1920: „In dem Moment, in dem sie die Bühne betritt, wird sie zu einer anderen Person. Plötzlich erwacht in ihrem Körper der Wunsch zu handeln... Egal, welche Rolle sie spielt, ob es ein Dialog, ein Lied, ein Konflikt ist, es überwältigt sie wie eine innere Vision.“
Dagmar Manzel ist durch und durch Berlinerin. Sie verkörpert die Stadt mit ihrem Akzent, ihrer Direktheit und ihrer ironischen Distanz. Nach ihren unnachahmlichen Darstellungen in Abrahams Ball im Savoy und Straus' Eine Frau, die weiß, was sie will, war sie weniger die offensichtliche Wahl für Kleopatra als vielmehr der Vorwand für die Montage des Stückes. Manzel arbeitete mit Kosky und dem Dirigenten Adam Benzwi und ihrem Team zusammen, um den Kontext, den Stil und den Ton der Aufführung zu schaffen. Sie ist eine Meisterin des komödiantischen Timings, die in der Lage ist, innerhalb eines Augenblicks von der Herrschsucht zur Farce zu wechseln und innerhalb einer einzigen Phrase zwischen Sprache und Gesang zu wechseln.
Die Handlung von Die Perlen der Kleopatra beruht auf einem genügend plausiblen Paradoxon: Wie kann eine allmächtige Königin Liebe finden? Aber jede Drehung und Wendung führt zu Absurdität und einem weiteren unwahrscheinlichen Zufall, bis das Chaos überhand nimmt. Es ist das perfekte Rezept für jene Mischung aus Gesang und Tanz, Spektakel und Satire, für die das Berlin der zwanziger Jahre ein Synonym ist. „Du bist in Berlin, Baby!“, wenn Sie das Stück sehen.