Violanta
Violanta

Der Tod und der junge Mann

Das Wiener Wunderkind Erich Wolfgang Korngold komponierte seinen Opern-Einakter Violanta vor seinem Welterfolg Die tote Stadt. Von dem italienischen Komponisten Giacomo Puccini als „größte Hoffnung der modernen deutschen Musik“ gefeiert und von keinem Geringeren als Gustav Mahler, der ihm empfahl, bei Alexander von Zemlinsky zu studieren, als „musikalisches Genie“ bezeichnet, war Korngold schon früh auf Erfolg eingestellt. Im Alter von 17 Jahren komponiert, kann Korngolds Anleihen bei großen Vorgängern wie Verdi und Wagner und Zeitgenossen wie Strauss und seinem Lehrer Zemlinksy nicht geleugnet werden. Und doch ist Violanta keineswegs eine Nachahmung.

Neue Zürcher Zeitung
Diese Oper darf zu jenen letzt- und spätestromantischen Gipfelwerken des Genres gerechnet werden, die wie im Rausch noch einmal alle Mittel aufbieten.

Violanta wurde 1916 in München als tragisches Gegenstück zu Korngolds erster Komödie Der Ring der Polykraten unter der Leitung von Bruno Walter uraufgeführt. Mehr als hundert Jahre nach der Uraufführung wird das Stück nun im Zuge einer internationalen Korngold-Renaissance wiederentdeckt und zum ersten Mal in Italien am Teatro Regio Torino aufgeführt. Es ist nicht zu übersehen, dass dieses Jugendwerk von zwei unumstrittenen Größen ihres Fachs inszeniert und dirigiert wird: dem renommierten Opernregisseur Pier Luigi Pizzi und dem ebenso gefeierten Dirigenten Pinchas Steinberg.

Alles in allem strahlt die Produktion Reife, die fast schon Verfall ist, aus. Die dekadente Kulisse - ein venezianischer Karneval - verstärkt diesen Eindruck nur noch. Ursprünglich in der Renaissance angesiedelt, verlegte Pizzi die Handlung in die 1920er Jahre, als das Werk entstand. Die Kritiker loben einhellig die Umsetzung „dieser düsteren Geschichte von Eros und Thanatos in eine Jugendstilmode, die vom Teatro Regio selbst inspiriert zu sein scheint“. (Corriere della Sera)

Die Handlung findet in einem prächtigen, purpurroten Innenraum statt, der die unterdrückten Leidenschaften der Figuren vermittelt. In der Tat gibt Pizzi nicht der Versuchung nach, ein folkloristisches Tableau zu zeichnen. Der Renaissance-Mann, der auch das Bühnenbild und die Kostüme entworfen hat, interpretiert die Szenerie metaphysisch. Wie die Neue Zürcher Zeitung betont: „In der gänzlich roten, von gediegen-schweren Vorhängen gerahmten Bühne zieht ein schwarzes Rund das Auge in die Tiefe, hinter dem eine Gondel gleich einer Totenbarke Alfonso und die anderen karnevalesken Gestalten in Violantas Haus trägt.“ Das „riesige Erkerfenster, in dem sich das silberne Wasser der Lagune in einer tintenschwarzen Nacht, einem Omen des Todes, spiegelt“ (Crescendo-Magazin) ist der Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung, von dem aus exzentrische Figuren wie Gespenster aus einer fernen Welt erscheinen könnten. Während der Karneval in vollem Gange ist, konzentriert sich die Inszenierung auf das Drama der drei in den symbolischen Kreis eingeschlossenen Figuren.

Die Musik trägt dazu bei, eine Atmosphäre der Bedrohung und Versuchung zu schaffen. Pinchas Steinberg „hebt die modernsten, straußischen Züge von Korngolds Schaffen hervor, von der kranken chromatischen Üppigkeit der dramatischsten und lyrischsten Momente bis hin zu einem Kammermusikstil voller geisterhafter Schauer.“ (GB Opera Magazine).

GB Opera Magazine
Korngold und Steinberg schaffen es voll und ganz, den authentischen venezianischen Charakter zu vermitteln, diese Mischung aus Staunen und Abscheu, ein verwesender, mit Purpur und Gold bedeckter Leichnam, ist der authentischste Grund, bezaubert zu sein.

Violanta kann als eine Oper der erotischen Entfremdung gesehen werden. Violantas Einstellungen bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen Vernunft und Psychose. Man kann Freudsche Untertöne in den verstrickten Trieben und Verdrängungen erkennen, die den Protagonisten beleben. Schließlich war Freud eine Schlüsselfigur im jüdischen soziokulturellen Umfeld in Wien, welche Korngold beeinflusst hat.

Wo die vermeintlich keusche Violanta nach Ausschweifungen sucht, sucht der von der Lust geplagte Alfonso nach bedingungsloser Liebe. Wenn sich ihre Stimmen am Ende der Oper in einem Duett sanft ineinander verschränken, ist die Inspiration von Wagners Tristan und Isolde in der Mischung aus erschöpfter Liebe und ekstatischer Todessehnsucht zu spüren. Wie konnte Korngold schon in so jungen Jahren eine solche Erfahrung darstellen? Imitiert die Kunst das Leben, oder ist sie ein Streifzug in unsere Psyche?