Der fliegende Holländer
Als der mysteriöse Kapitän eines Geisterschiffes in einem Sturm an Land geworfen wird, versucht er der Verdammnis durch die Liebe einer treuen Frau zu entkommen.
Wagner schrieb nach einer gefährlichen Flucht aus Riga seine erste große Oper. Die Latvian National Opera bringt diese Erzählung aus dem Jenseits in einer neuen Produktion von Viestur Kairish zu ihren Ursprüngen zurück.
Besetzung
The Dutchman | Egils Siliņš |
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Senta, Daland's daughter | Vida Miknevičiūtė |
Daland, a Norwegian sea captain | Ain Anger |
Erik, a huntsman | Corby Welch |
Mary | Ilona Bagele |
Steersman | Mihail Chulpaev |
Chor | Chorus of the Latvian National Opera |
Orchester | Orchestra of the Latvian National Opera |
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Musik | Richard Wagner |
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Musikalische Leitung | Mārtiņš Ozoliņš |
Inszenierung | Viestur Kairish |
Bühne | Reinis Dzudzilo |
Licht | Oskars Pauliņš |
Kostüme | Krista Dzudzilo |
Text | Richard Wagner |
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Video
Handlung
Akt I
Ein Sturm hat das Schiff des Marinekapitäns Daland an Land getrieben. Die Reise hat die Crew erschöpft und bald legen sich alle zur Ruhe. Der Steuermann versucht sich mit einem Lied wach zu halten, doch er schläft während seiner Wache ein. Plötzlich zieht ein seltsames Schiff an Dalands Schiff vorbei. Sein Kapitän ist der fliegende Holländer, der dazu verdammt wurde auf ewig Umherzuirren, ungehindert von Stürmen oder Piraten. Alle sieben Jahre ist es im erlaubt an Land zu gehen. Der Holländer bietet Daland unglaubliches Reichtum im Gegenzug für eine Unterkunft und die Hand seiner Tochter Senta. Daland akzeptiert das Angebot des Holländers und die Schiffe stechen in See.
Akt II
Auf die Rückkehr von Dalands Schiff wartend, arbeiten die Mädchen an ihren Spinnrädern und singen. Sentas Freundinnen ziehen sie mit dem Jäger Erik auf, ihrem leidenschaftlichen Verehrer. Senta, die scherzhaften Bemerkungen nicht beachtend, singt eine Ballade über den Fliegenden Holländer, den sie schon in der Kindheit zu lieben lernte, und offenbart ihr innerstes Geheimnis: mit treuer Liebe will sie den gequälten Seemann retten. Sentas Worte überraschen Erik, der von einer seltsamen Vorahnung ereilt wird. Er erzählt von einem Traum, in dem er sah, wie sie den geheimnisvollen Kapitän umarmte. Der Holländer und Sentas Vater erscheinen und der Vater kündigt die Heirat an. Senta ist vom Holländer wie gebannt. Der Holländer wendet seine Augen nicht von Senta ab und hofft, dass ihre Liebe und Treue seinen Fluch brechen wird.
Akt III
Die Seemänner feiern ihre sichere Rückkehr. Sie rufen dem Schiff des Holländers zu, die Mannschaft solle sich doch zu ihnen gesellen, aber das Schiff bleibt dunkel und still. Dalands Matrosen verspotten die mysteriöse Crew und ihren Kapitän. Ein Sturm zieht auf und Gestalten nähern sich über die Wellen dem Ufer und damit sind die geladenen Gäste angekommen.
Erik versucht Senta davon abzuhalten, ihr Leben mit dem unheimlichen Fremden zu teilen. Senta ist nicht bereit auf ihn zu hören, denn sie hat einen Eid geschworen und hat nun einer höheren Berufung zu folgen. Erik erinnert sie an seine Liebe zu ihr. Der Holländer, der Senta zusammen mit Erik sieht, ist von verzweifelter Eifersucht und einem Gefühl des Verlustes geplagt, weil er glaubt, dass auch Senta es versäumt hat, ihm unsterbliche Treue zu geben. Er enthüllt sein Geheimnis und macht sich auf den Weg zu seinem Schiff, um dieses vom Fluch vorgeschriebene endlose Umherirren fortzusetzen. Senta stürzt sich von der Spitze einer Klippe ins Meer und begleicht mit ihrem Tod die Sünden des Holländers. Das Schiff des Fliegenden Holländers zerbricht an den Klippen und seine Odyssee geht zu Ende.
Einblicke
5 Dinge, die man über Der Fliegende Holländer wissen sollte
1° Ein stürmisches Prelude
Richard Wagner heiratete die deutsche Schauspielerin Wilhelmine „Minna“ Planer im Winter 1836. Ihre Beziehung war stürmisch, mit vielen Ausbrüchen des eifersüchtigen und besitzergreifenden Komponisten, welche Minna häufig in Tränen ausbrechen ließ. Die Schauspielerin hatte auch mit den Schulden ihres Mannes und die Drohungen von Seiten der Gläubiger ihm gegenüber zu kämpfen. Innerhalb von sechs Monaten verließ sie ihn für einen anderen Mann.
Um dem Fiasko zu entgehen, zog Wagner nach Riga (damals im Russischen Reich), wo der 26-Jährige Musikdirektor des Hoftheaters wurde und Minnas Schwester als Sängerin engagierte. Wagners Frau beschloss schließlich, sich ihm in Riga anzuschließen, aber sie lebten über ihren Verhältnissen, was ihnen noch mehr Schulden einbrachte. Das Paar versuchte von ihren Gläubigern wegzulaufen, aber da die Behörden bereits einen solchen Plan vermutet hatten, konfiszierten sie ihre Pässe.
Trotz des Risikos, von Grenzsoldaten erschossen zu werden, überquerten sie illegal Preußen. Sie nahmen dann einen Wagen zur Küste, aber er überschlug sich auf dem Weg, wobei Minna halb erdrückt wurde, was eine Fehlgeburt zur Folge hatte. Sie erreichten schließlich den Hafen von Pillau (heute Baltijsk in Kaliningrad) und gingen an Bord des Schiffes Thetis mit Kurs auf London, doch es geriet in einen Sturm und musste in einem norwegischen Fjord anlegen. Das Wetter und die Küste inspirierten Wagners Phantasie und er fragte die Seeleute nach der Legende des fliegenden Holländers. Nach einer furchterregenden 24-tägigen Reise, die eigentlich acht Tage gedauert hätte, kam Wagner mit seiner Frau an seiner Seite und seiner nächsten Oper im Kopf sicher in London an.
2° Ein geisterhaftes Schiff
Der Mythos eines Phantomschiffes, das dazu verurteilt war, für immer auf den Ozeanen zu segeln, ist wahrscheinlich im goldenen Zeitalter der Dutch East India Company im 17. Jahrhundert entstanden. Die erste Druckschrift erschien in John MacDonalds Reisebericht von 1790 Travels in various parts of Europe, Asia and Africa during a series of thirty years an upward, in dem Seeleuten der fliegenden Holländer während eines Sturms erscheint. Im Laufe des nächsten halben Jahrhunderts erschienen mehrere Geschichten, die von der Legende inspiriert wurden, einschließlich „Vanderdeckens Message Home“ und Samuel Taylor Coleridges Die Ballade vom alten Seemann.
Heinrich Heines Satireroman Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski führte als erster den verfluchten Kapitän ein, der alle sieben Jahre einen Fuß an Land setzte, um durch die Verehrung einer treuen Gattin gerettet zu werden. Heine nutze diese erlösende Kraft der Liebe als Mittel für ironischen Humor, doch als Wagner sein Libretto für Der fliegende Holländer schrieb, nahm er das Thema wörtlich und ernst. Der Mythos des fliegenden Holländers wurde seitdem in unzähligen Adaptionen nacherzählt, so etwa in dem Disneyfilm aus dem Jahre 2006: Fluch der Karibik 2.
3° Navigieren durch die unruhigen Gewässer des Lebens
„Die universellste Eigenschaft der Menschheit“, sagte Wagner in Verbindung mit dem Mythos des fliegenden Holländers, „ist die Sehnsucht nach Ruhe inmitten der Stürme des Lebens“. Er sah den Holländer als Symbol für die ewige Suche nach Trost und Erlösung vor den rauen Wellen und dem Wetter des Lebens. Deshalb ermahnte er die Dirigenten und Regisseure, in ihren Inszenierungen von Der fliegende Holländer das Meer nicht zu vernachlässigen: „Das Meer zwischen den Landzungen muss so gespielt werden, dass es so viel wie möglich wütet und schäumt; die Darstellung des Schiffes kann nicht zu naturalistisch sein: kleine Berührungen, wie das Hochheben des Schiffes bei einer außergewöhnlich starken Welle, müssen sehr deutlich dargestellt werden. Die ständigen subtilen Veränderungen der Beleuchtung erfordern besondere Sorgfalt.“
4° Drei romantische Opern
Mit der Uraufführung von Der fliegende Holländer Anfang 1843 begann Wagners Karriere als reifer Opernkomponist. Er hatte bereits drei Opern, nämlich Die Feen, Das Liebesverbot und Rienzi, fertiggestellt, die er jedoch als Lehrlingswerke abtat und sie später aus seinem Werk herausnahm. In seinem Essay „Eine Mitteilung an meine Freunde", bezeichnete er die Oper und ihr Libretto als einen Neuanfang für ihn: "Von nun an beginnt meine Karriere als Dichter und ich verabschiede mich vom bloßen Zusammensetzen von Operntexten.“
Der fliegende Holländer und die darauffolgenden Opern, Tannhäuser und Lohengrin, werden gemeinhin als Wagners „romantische Opern“ bezeichnet und zeigen einen signifikanten Fortschritt in seinem Umgang mit Themen, Orchestrierung und Charakterentwicklung. Sie sind die frühesten Werke, die in den sogenannten „Bayreuther Kanon“ Eingang fanden, das Ensemble von Wagners Opern, die das Kernrepertoire des berühmten fränkischen Festivals bilden.
Die drei „romantischen Opern“ brachten dem Komponisten Ruhm und Erfolg, aber sie gelten nicht als seine Meisterwerke; diesen Titel erhalten seine späteren „Musikdramen“ Der Ring des Nibelungen, Tristan und Isolde, Die Meistersinger von Nürnberg und Parsifal, in denen Wagner sich auf neuen harmonischen Boden wagte und alle musikalischen, poetischen und dramatischen Elemente zu einem einheitlichen künstlerischen Ganzen verschmolz.
5° Die Rückkehr nach Riga
Auf der Flucht vor den Problemen seiner Zeit in Riga und auf einer riskanten Seereise hatte Wagner nicht nur eine Idee für eine neue Oper, sondern auch einen Platz in der lettischen und musikalischen Folklore gefunden. „Er floh mit dem Schiff aus Riga und blieb in der Zeit stecken. Dieses Schiff, das für immer in dieser mythischen Zeit stecken geblieben ist, hat wieder einmal dort aufgehört, wo es angefangen hat“, sagt Regisseur Viestur Kairish, der in der lettischen Hauptstadt geboren wurde. Der fliegende Holländer ist eine Arbeit, die die Grenze zwischen Mythos und Wirklichkeit verschwimmen lässt, eine Grenze, die er in der neuen Produktion der Latvian National Opera erforscht und ergriffen hat. „Zeit und Raum - Riga. Vielleicht ist es das Wrack eines an einem einsamen Strand gespülten Schiffes; vielleicht ist es ein Flugzeug, das in der Wüste abgestürzt ist. Wichtig ist, dass der Holländer in die Stadt zurückgekehrt ist, in der Wagner vom Kapellmeister zum Komponisten wurde."