La sonnambula
In einer scheinbaren Idylle hoch in den Schweizer Alpen bereitet sich eine abgeschiedene Dorfgesellschaft auf die nächste Hochzeit vor. Diesmal soll Amina die Glückliche sein. Der Bräutigam Elvino wendet sich jedoch bald wieder seiner ehemaligen Frau zu, denn Amina schläft im Bett eines Fremden, der gerade eingetroffen ist. Graf Rodolfo, Sohn des ehemaligen Gutsherrn und inkognito unterwegs, kann die Dorfbewohner weder von seiner noch von Aminas Unschuld überzeugen, bis sie erneut schlafwandelt und der gemeinsame Glaube an das Übernatürliche auf die Probe gestellt wird.
Mit der pastoralen Kulisse, der utopischen Vision einer harmonisch geordneten Gesellschaft und einem Happy End, das durch Situationen von großer Ergriffenheit erreicht wird, ist La sonnambula Bellinis erstes ausgereiftes Meisterwerk. Hier erweitert er seine Ausdruckspalette mit den schönsten Koloraturen und beschwingten Melodien; von Animas Eröffnungsarie - die ekstatische Introspektion, zarte rezitativische Betrachtungen und überschwängliche Virtuosität umfasst - bis zu ihrer herzzerreißenden Schlussszene. Durch die ständige musikalische Interaktion zwischen den Solist:innen und dem Chor schafft Bellini das Gefühl, dass die Hauptfiguren Teil einer eng verbundenen Gemeinschaft sind. Die Neuinszenierung der Deutschen Oper am Rhein steht unter der Leitung des Belcanto-Spezialisten und Ersten Gastdirigenten Antonino Fogliani und wird von Johannes Erath inszeniert, dessen poetisch-subtile Aufführungen bereits in München, Frankfurt, Wien, Palermo und vielen anderen Städten zu sehen waren.
BESETZUNG
Graf Rodolfo | Bogdan Taloș |
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Teresa | Katarzyna Kuncio |
Amina | Stacey Alleaume |
Elvino | Edgardo Rocha |
Lisa | Heidi Elisabeth Meier |
Alessio | Valentin Ruckebier |
Ein Notar | Apostolos Zoidis |
Chor | Chor der Deutschen Oper am Rhein |
Orchester | Düsseldorfer Symphoniker |
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Musik | Vincenzo Bellini |
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Text | Felice Romani |
Musikalische Leitung | Antonino Fogliani |
Regie | Johannes Erath |
Bühne | Bernhard Hammer |
Kostüme | Jorge Jara |
Chorleitung | Patrick Francis Chestnut |
Licht | Nicol Hungsberg |
Video | Bibi Abel |
Dramaturgie | Anna Melcher |
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Text von Felice Romani nach dem Libretto von Eugène Scribe zu der Ballet-pantomime „La Somnambule ou L‘Arrive d‘un nouveau seigneur“ (1827) von Jean-Pierre Aumer und Ferdinand Hérold
VIDEOS
HANDLUNG
ERSTER AKT
Lisa ist unglücklich in Elvino verliebt. Er ist die gute Partie einer Gemeinschaft, die abgeschottet in den Schweizer Alpen lebt. Die beiden waren ein Paar, doch nun soll Amina seine Braut werden. Lisa ist verzweifelt und wütend, ihr die Hochzeit mit dem Geliebten überlassen zu müssen. Alessio ist in Lisa verliebt. Er studiert mit den Dorfbewohnern ein Lied zu Ehren des Brautpaares ein, glücklich, dass nicht Lisa die Braut sein wird. Diese allerdings weist ihn wie stets brüsk zurück.
Amina wurde als Waise von der Müllerin Theresa aufgezogen, jetzt freut sie sich über die bevorstehende Hochzeit. Sie bedankt sich für das Lied und wünscht Alessio Glück bei Lisa, die wiederum abwinkt.
Elvino verspätet sich mit der Entschuldigung, er habe am Grab seiner Mutter ihren Segen für die Ehe erbeten - nicht ohne Amina mit seiner verstorbenen Frau Mama zu vergleichen. Der Ehevertrag wird aufgesetzt, Elvino bringt Haus, Gut und Namen mit in die Ehe, Amina nichts als ihr Herz. Elvino gibt seiner Braut den Ring seiner Mutter und Blumen, die kirchliche Trauung soll am kommenden Tag vollzogen werden.
Mit Rodolfo kommt ein vermeintlich Unbekannter in die Dorfgesellschaft. Lisa bietet ihm an, in ihrem Gästezimmer zu übernachten. Der Fremde scheint sich im Dorf auszukennen. Als er Amina sieht, weckt das alte Erinnerungen an ein Mädchen, das er geliebt und verloren hat. Auch Amina spürt eine eigenartige Vertrautheit zu ihm. Rodolfo erfährt, dass der alte Graf gestorben ist und sein Sohn seit Jahren verschollen. Er versichert, dass letzterer lebt.
Theresa kündigt die Geisterstunde an: Bei Nacht erscheine ein unheimlich weißes Wesen mit wirrem Haar, werde immer größer, bringe Bäche zum Stehen, bellende Hunde zum Schweigen. Rodolfo schimpft über den kollektiven Aberglauben und beschließt, für die Nacht Lisas Gästezimmer zu beziehen. Elvino bebt vor Eifersucht, ihm ist die intuitive Nähe zwischen Rodolfo und Amina nicht entgangen.
Im Gästezimmer eröffnet Lisa Rudolfo, ihn als Sohn des Grafen erkannt zu haben. Ihre darauffolgende erotische Annäherung wird jäh unterbrochen. Es ist Amina. Sie hält Rodolfo schlafwandelnd für Elvino. Sie imaginiert ihre Traumhochzeit, Rodolfo weckt sie nicht.
Die Gesellschaft will den neuen Grafen feiern und findet Amina in seinen Kissen, Lisa alarmiert Elvino - Aminas Untreue scheint für alle offenbar. Elvino verlässt Amina, die vergeblich ihre Unschuld beteuert, der kollektive Unglaube schlägt ihr entgegen. Nur Theresa entdeckt ein Kleidungsstück Lisas, das sie stutzig macht.
ZWEITER AKT
Die Dorfgesellschaft will Rodolfo bitten, Amina zu rehabilitieren. Elvino lässt sich in sein Unglück fallen, er glaubt Amina kein Wort. Auch als die Menge Rodolfos Unschuldsbezeugung ankündigt, will er nichts hören und reißt Amina den Ring seiner Mutter vom Finger.
Alessio versucht es wieder erfolglos bei Lisa. Als Elvino sie zu seiner neuen Braut erwählt, ist sie sofort bereit. Rodolfo erklärt, dass Amina eine Schlafwandlerin sei, doch niemand will ihm glauben. Lisa begründet ihre Brautrechte auf Elvino damit, dass sie sich schließlich nicht in Grafenzimmern tummeln würde, da zeigt Theresa das liegengelassene Kleidungsstück Lisas. Elvino fühlt sich nun von beiden Frauen betrogen. Er will Beweise. Da balanciert plötzlich in lichter Höhe Amina auf schmalem Grat und beweint ihre verlorene Liebe. Sie darf auf keinen Fall geweckt werden, sonst wird sie abstürzen – //
EINBLICKE
Lieto fine
Anna Melcher, Dramaturgin
Amina balanciert am Abgrund. Kann das gut ausgehen, ist das möglich angesichts des Geschehenen? Dass Amina Elvino einfach so wieder in die Arme schließt, nachdem er ihr nicht vertraut hat, sie verstoßen hat und auf einszwei die Ex heiraten will? Dass Elvino das Bild von der Geliebten im Bett des anderen so einfach aus dem Kopf bekommt? Nagende Zweifel und Vertrauensverlust: Fehlanzeige.
La Sonnambula ist eine ‚Opera semiseria’, die sich durch ein Nebeneinander von ernsten und heiteren Elementen und ein obligatorisches Lieto fine auszeichnet. Dieses glückliche Ende gehörte seit der Entstehung der Gattung Oper in Italien zum festen Bestandteil der Handlungsdramaturgie, noch für die Ethik der aufklärerischen Oper des 18. Jahrhunderts war es von zentraler Bedeutung. Nach dem Vorbild des bürgerlichen Dramas kamen nun Figuren aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten zusammen, gern in idyllischem Ambiente. Seit dem späten 18. Jahrhundert geriet die einstige Selbstverständlichkeit des glücklichen Ausgangs mehr und mehr ins Wanken – ein Beispiel dafür ist Rossinis Tancredi, der 1813 zunächst mit Lieto fine in Venedig, dann mit einem tragischen Ende in Ferrara und schließlich wieder mit Happy End in Mailand uraufgeführt wurde –, doch es war nach wie vor beim Publikum beliebt. In seinem Aufsatz „Gemäßigte Entgrenzungen“ verweist Arnold Jacobshagen bezüglich der ‚Opera semiseria’ auf den Übergang vom Spätabsolutismus zur bürgerlich geprägten Kultur Italiens zur Zeit der Restauration und des Risorgimento: „Offenbar entsprach die sentimentale, halbernste Oper am besten einem Zeitgeist, der für die Wahrnehmung der Brüchigkeit menschlichen Empfindens und Strebens besonders empfänglich war.“
Dieser Brüchigkeit hat Vincenzo Bellini eine tief berührende musikalische Stimme gegeben, die uns heute noch, gerade heute in unruhiger, verstörender Zeit wieder so unvermittelt wie unmittelbar trifft. Und die in ihrem unendlichen Melodienreichtum der Opern-bühne einen Möglichkeitsraum zusingt, der alles andere als profan ist: einen Raum für einen Moment der inneren Flucht, für einen Augenblick der Hingabe, für die Imagination einer Welt, in der es bös ausgehen könnte – aber eben auch gut. Rodolfo lag übrigens falsch: „Ah! non si dèsti“ – Die Schlafwandelnde nicht zu wecken rettet sie nicht vor dem Fall, die bis heute zu unserem aktiven Sprachschatz gehörende traumwandlerische Sicherheit gibt es nicht. Fans des Lieto fine wird empfohlen, Türen und Fenster für Schlafwandelnde mit einem Schloss zu versehen sowie Treppenabsätze und andere Absturzkanten nachhaltig zu sichern.
Ein Ausschnitt aus dem Programmhefttext zur Produktion von Dramaturgin Anna Melcher.
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