Le Comte Ory
Rossini in Wildbad

Le Comte Ory

Rossini
Streamed am Streamed bis Aufnahme vom
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Französisch
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Französisch
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Alle Tourangeaux sind auf einem Kreuzzug unterwegs. Nur der junge Graf und seine Gefährten sind zugegen, haben aber andere Dinge im Sinn: Sie sind auf der Suche nach amourösen Abenteuern. In lachhaften Verkleidungen versuchen sie, die Frauen zu überlisten, die derzeit ohne ihre Ehemänner sind. Die schöne und strenge Gräfin Adele hat zu Ehren ihres Kreuzfahrerbruders und anderer Ritter ein Keuschheitsgelübde abgelegt, obwohl sie sich in den edlen Knappen des Grafen, den jungen Isolier, verliebt hat. Müssten unter diesen Umständen nicht alle Männer aus ihrem Schloss verbannt werden?

Was ist also von Rossinis Komödie zu halten? Sicherlich geht es um mehr als nur eine Sammlung von Altherrenwitzen. Als es dem Grafen endlich gelungen ist, in das verbarrikadierte Schloss einzudringen, erscheint Isolier (der eigentlich auch nicht hinein darf), der aber eine Schlüsselrolle hat: Er entlarvt den Grafen und stellt sich in einem unbeschreiblich schönen Trio verkleidet im Dunkeln zwischen ihn und die Gräfin, um sie zu schützen. Der Graf versucht, sich ihm zu nähern. Doch halt! Isolier ist gar kein Mann, sondern eine Frau in Travestie. Wir haben also einen als Frau verkleideten Tenor, der glaubt, mit einer Sopranistin zu schlafen, während er in Wirklichkeit einem Altisten in der Rolle des Mannes den Hof macht, der den Platz des Soprans einnimmt. Und was ist von einer Oper zu halten, in der ein großer Teil der Musik direkt aus einem inhaltlich völlig anderen Werk stammt, Il viaggio a Reims? Es gibt in der Tat viele Fragen, die sich angesichts einer der reizvollsten und anmutigsten Opern Rossinis stellen. Die alljährliche Rossini-Feier in Wildbad im Schwarzwald will mit ihrer neuen Inszenierung zumindest eine davon aufgreifen. Wer ist Isolier? Ist der Junge Isolier ein Mann oder eine Frau, die davon träumt, ein Mann zu sein, stark wie ein Kreuzritter?

BESETZUNG

Der Graf Ory
Patrick Kabongo
Die Gräfin Adele
Sophia Mchedlishvili
Isolier
Diana Haller
Raimbaud
Fabio Capitanucci
Der Gouverneur
Nathanaël Tavernier
Dame Ragonde
Camilla Carol Farias
Alice
Yo Otahara
Orchester
Karol Szymanowski Philharmonic in Krakow
...
Musik
Gioachino Rossini
Text
Eugène Scribe
Charles-Gaspard Delestre-Poirson
Deutsche Übersetzung
Reto Müller
Dirigent
Antonino Fogliani
Direktor und Kulissen
Jochen Schönleber
Kostüme
Olesja Maurer
Musikalische.r Assistent.in
Cécile Restier
Regieassistent.in
Eleonora Calabrò
...

Video

Trailer

Sneak Peek: Le Comte Ory

Musikalische Selbstkopie und jede Menge Cross-Dressing in Rossinis spritziger Mittelalterballade.

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HANDLUNG

I. Akt

In der Touraine, zur Zeit der Kreuzzüge, hat sich der junge Graf Ory mit seinen Freunden versteckt und gibt sich als begnadeter Eremit aus, der Frauen ihre Gatten zurückbringen und für die jungen Mädchen einen Mann finden kann. Die Dorffrauen und Ragonde, die Vertraute der Gräfin von Formoutier, suchen ihn auf. Ragonde hofft, dass ihr Mann gesund aus dem Krieg zurückkehrt, und bittet um Hilfe für die Gräfin, die an tiefer Schwermut leidet.

Der Erzieher von Graf Ory sucht nach seinem entlaufenen Schützling, den er hier vermutet, wo es so viele Mädchen gibt. Orys Page Isolier liebt die Gräfin, die ihn aber zurückweist, da sie, wie alle anderen Frauen, geschworen hat, keinen Mann in ihre Nähe zu lassen, bis die Krieger aus Palästina zurückgekehrt sind. Er bittet den Eremiten, in dem er nicht seinen Herrn und Rivalen erkennt, die Gräfin von ihrem Gelübde zu entbinden, plant er doch, als Pilgerin verkleidet ins Schloss zu gelangen.

Die Gräfin beklagt ihr Unglück, woraufhin der Eremit sie von ihrem Schwur befreit. Voller Freude wendet sie sich Isolier zu, wird aber vom Eremiten vor dem schrecklichen Grafen Ory gewarnt. Beim Gang ins Schloss wird der Eremit von dem Erzieher erkannt, der nun die wahre Identität des Grafen vor allen enthüllt. Gleichzeitig wird die Rückkehr der Kreuzritter verkündet. Die Frauen jubeln, und der entlarvte Ory beschließt, die verbleibende Zeit zu nutzen.

II. Akt

Im sicheren Schutz des Schlosses bekräftigen die Gräfin, Ragonde sowie die Damen ihren Widerstand gegen die Annäherungsversuche des Grafen Ory. Während eines heftigen Gewitters hören sie draußen die Stimmen Schutz suchender Pilgerinnen. Die Gräfin gewährt ihnen Obdach und empfängt „Schwester Colette“, nicht ahnend, dass es sich um Ory und seine Gefährten handelt.

Die vermeintlichen Pilgerinnen werden mit Milch und Obst bewirtet, während Raimbaud den Weinvorrat plündert und ein Trinkgelage veranstaltet. Die Feierlichkeiten werden unterbrochen, als die Gräfin kommt, um die Gäste zu ihren Schlafplätzen zu führen.

Isolier wird als Vorhut der Rückkehrer aus Palästina ins Schloss gelassen und enthüllt das Geheimnis der falschen Pilgerinnen. Er verspricht, seine Cousine, die Gräfin, zu beschützen und bewacht ihr Schlafzimmer. Ory, als „Schwester Colette“ verkleidet, schleicht sich in ihr Zimmer, um ihr näherzukommen, ohne zu bemerken, dass Isolier sich zwischen die beiden gelegt hat. In einem erotischen Verwirrspiel lässt Ory unwissentlich Isolier Zärtlichkeiten zukommen, die dieser an die Gräfin weitergibt.

Die Rückkehr der Kreuzritter setzt der pikanten Situation ein abruptes Ende. Isolier verhilft Ory und allen Rittern zum Entrinnen.

EINBLICKE

Notizen des Regisseurs von Jochen Schönleber

Le Comte Ory – Was ist eigentlich diese Oper, die auf einer Art brachialer Moritat im Gewand des Mittelalters beruht? Die Geschichte von vierzehn wüsten Rittern, die als Frauen verkleidet über Nacht in einem Nonnenkloster Zuflucht finden und nach neun Monaten werden vierzehn kleine Ritterlein geboren, ist mehr als derb. Eugène Scribe hat daraus – sicher unter Mitsprache des Komponisten – ein wesentlich feiner gewobenes und kraftvoll verdichtetes Libretto gemacht, das Rossini auf dem Höhepunkt seiner musikdramatischen Fähigkeiten in etwas ganz Besonderes verwandelt.

Das schönste Stück in der Oper, auf das alles zuläuft, ist das Trio im zweiten Akt. Es ist der dramaturgische Höhepunkt und zugleich eine der raffiniertesten Musiknummern überhaupt in Rossinis dramatischem Gesamtwerk. Was passiert da?

Eine Frau, die sich Askese verordnet hatte, solange der Bruder im Krieg ist, erfährt, dass dieser in einer Stunde aus dem Krieg heimkehren wird. Die Nachricht überbringt ihr Verehrer Isolier, den sie vermutlich liebt. Gleichzeitig schafft es ein anderer Verehrer, sich ihr als Frau verkleidet anzunähern. Einerseits entsteht Eile, andererseits muss der gefährliche Verehrer in Schach gehalten werden. Nun scheint sie offener für die Liebe. Doch welche Liebe? Um den als Frau verkleideten Mann geht es wohl nicht. Er dient als Vorwand. Ist es Isolier, der junge Mann, der von einem weiblichen Mezzo gesungen wird? Was wird daraus? Komplizierte Sache. Rossini hat das in eine eigentümlich schwebende, fließende Stimmung gebracht. Wie setze ich dies szenisch um?

Über diesen schier unauflösbaren Knoten bin ich mit Diana Haller, mit der ich die Rolle des Isolier vorbereitete, gestolpert. Sie fragte schlicht: „Bin ich in dem Stück nun eine Frau oder ein Mann?“ Das ist ja wichtig für die Anlage der Rolle und für das Stück insgesamt. Eine eindeutige Lösung wusste ich nicht. So habe ich dem Ganzen ein Vorspiel gegeben, in dem die Handlung angedeutet wird. Allerdings mit einer kleinen Variation, wodurch die Ambiguität betont wird.

Die Introduktion des Comte Ory ist seltsam viergeteilt. Die Einleitung ist stark gebrochen, dann kommt ein Marsch, nochmals eine Erinnerung an das Motiv der Einleitung und schließlich das schwungvolle Vorspiel, welches aus Il viaggio a Reims bestens bekannt ist.

Daraus wird bei uns ein Gesellschaftsspiel, das mit dem Abmarsch der Männer ins Ungewisse des Kriegs endet, ein Streit zwischen einem unbekümmerten Mann (Ory) und einer melancholischen Frau, die sich Sorgen um ihren Bruder macht und ja, was nun?

Ich habe im Vorspiel die Handlung leicht gedreht: Aus dem Isolier – also einem verkleideten weiblichen Mezzosopran – wird im Vorspiel Isolière, eine Frau, die vergeblich eine Frau liebt und in der Männerwelt nur eine Chance sieht, nämlich die, in der Rolle eines cleveren jungen Manns ihr Ziel zu erreichen. Dahin träumt sie sich. Und diese Imagination füllt als Spiel die zunächst leere Bühne und verstärkt die Zweideutigkeit der Konstruktion.

So werden all die Unwahrscheinlichkeiten der Verkleidung des Comte unwichtig und die Brüche in der Handlung spielen kaum mehr eine Rolle. Die weinseligen Chöre der verkleideten Ritter und auch die haarsträubenden Berichte aus Palästina werden so als schrille Übertreibung erträglicher.

Dass wir das Ganze nur spielen, wird dauernd gezeigt. Wir deuten die siebziger Jahre als zeitliche Verortung an: Damals wurden Geschlechterrollen allmählich fragwürdig und es gab überall Gurus. Das Bühnenbild besteht aus mobilen Elementen. Zu Beginn des Akts wird aufgebaut und am Schluss der beiden Akte die Bühne wieder leer gemacht. Das Trio wird in eine Schattenwelt überführt und statt teuren Aufbauten steht Licht. Ich mag diese Art von Imagination lieber als „Einbauschränke“. Das ist Theater: Aus Nichts wird für eine kurze Weile eine Welt geschaffen! Dafür braucht es tolle Darsteller, Solisten wie Chor, und ich bin dankbar, dass ich mit einem so wunderbaren Team arbeiten durfte.