Macbeth
Nach siegreicher Schlacht prophezeien Hexen dem schottischen Feldherrn Macbeth eine Krone. Macbeth und seine machthungrige Lady beschließen, die Gunst der Stunde zu erzwingen und ihren König Duncan im Schlaf zu ermorden. Mit ihrer Bluttat entfesseln sie eine beispiellose Spirale der Gewalt, die das Paar direkt in den Abgrund führen wird.
Macbeth ist eines der dämonischsten Werke William Shakespeares. Um die übersinnliche Atmosphäre der Vorlage bestmöglich einzufangen, komponierte der glühende Shakespeare-Verehrer Giuseppe Verdi nah am Originaltext und experimentierte mutig mit neuen Klangfarben. In einem bemerkenswerten Bühnenbild von Henrik Ahr, das einem riesigen Kessel gleicht, konzentriert Michael Thalheimer seine Inszenierung auf Macbeth, Lady Macbeth und die Hexen. Verdi-Spezialist Antonino Fogliani dirigiert die hochkarätig besetzte Produktion, in der die opulenten Chöre immer wieder für musikalische Glanzpunkte sorgen.
Eine Koproduktion mit der Oper Vlaanderen.
BESETZUNG
Macbeth | Hrólfur Sæmundsson |
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Lady Macbeth | Ewa Płonka |
Banco | Bogdan Taloș |
Macduff | Eduardo Aladrén |
Malcolm | David Fischer |
Diener des Macbeth, Arzt, Mörder, Apparizione | Valentin Ruckebier |
Dame der Lady Macbeth | Mara Guseynova |
Apparizione | Josefine Nagerski Marie-Sophie Tétard |
Hexe | Birte Hopstein |
Fleanzio | Marie-Sophie Tétard |
Duncan | Norbert Kaulhausen |
Chor | Deutsche Oper am Rhein Chorus |
Kinderchor | Akademie für Chor und Musiktheater e.V. |
Orchester | Düsseldorfer Symphoniker |
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Musik | Giuseppe Verdi |
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Text | Francesco Maria Piave |
Dirigent | Antonino Fogliani |
Regie | Michael Thalheimer |
Licht | Stefan Bolliger |
Chorleitung | Gerhard Michalski |
Bühne | Henrik Ahr |
Kostüme | Michaela Barth |
Dramaturgie | Bettina Auer Anna Grundmeier |
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Handlung
Akt I
Unter Blitz und Donner erscheinen Hexen in drei Gruppen in einem Wald. Auf diese treffen zwei Generäle des Heeres von König Duncano, Macbeth und Banco, die von einer siegreichen Schlacht zurückkehren. Die Megären, die von den Generälen zu Rate gezogen werden, begrüßen Macbeth als Sire von Glamis und Cawdor sowie als zukünftigen König von Schottland; dann begrüßen sie Banco, dem sie weissagen, dass er der Glücklichere sei, doch nicht als König, sondern als Vater von Monarchen. Die Boten des Königs treten auf und verkünden, dass Macbeth soeben zum Sire von Cawdor ernannt wurde. Macbeth und Banco sind verwundert und beeindruckt, dass sich die erste Prophezeiung bewahrheitet hat.
Lady Macbeth liest in ihrem Atrium auf der Burg von Macbeth einen Brief ihres Mannes mit dem Bericht dessen, was vorgefallen ist. Als ein Diener die Ankunft von König Duncano ankündigt, schmiedet sie ihren Plan, um den Monarchen zusammen mit ihrem Mann zu ermorden. In der Tat überzeugt sie Macbeth, als dieser zu ihr kommt, sofort davon, den Mord zu verüben. Der König erscheint zusammen mit seinem Sohn Malcolm. Macbeth wartet bis die Stille der Nacht hereinbricht und betritt das Zimmer des Königs, um ihn zu ermorden. Er ist zutiefst ergriffen von dieser kriminellen Tat, die seine Frau dagegen kalt lässt: sie nimmt Macbeth den blutüberströmten Dolch aus der Hand und legt diesen neben die schlafenden Wachen, damit diese der Tat bezichtigt werden. Macduff, ein Edelmann des Königs, betritt das Zimmer von Duncano, um ihn zu wecken und findet ihn tot vor. Als Duncano erschrocken aufschreit, eilen alle herbei, auch Macbeth und Lady Macbeth, die in den Chor derer einstimmen, die Ermordung des Königs verdammen.
Akt II
In einem Zimmer auf der Burg betrachtet Macbeth als der neue König Schottlands seine Situation, während Malcolm, der Sohn Duncanos, des Mordes an seinem Vater angeklagt wurde und nach England geflohen ist. Macbeth gesteht im Gespräch mit seiner Frau, dass ihn die Weissagungen der Hexen für Banco beängstigt, besonders die, dass Banco Vater von Königen sein werde. So kommt es, dass in Macbeth der Wunsch aufkommt, den General und seinen Sohn verschwinden zu lassen. Lady Macbeth unterstützt und bestärkt ihren Mann in seiner Entscheidung.
In einem Park bereiten die Meuchelmörder den Mord an Banco und seinem Sohn Fleanzio vor. Die beiden Opfer treten auf. Banco beschleicht eine dunkle Vorahnung: die Mörder überfallen und töten ihn, doch sein Sohn kann fliehen und sich in Sicherheit bringen.
Der Hof findet sich im Prunksaal zu einem Bankett zusammen und feiert den neuen König und Lady Macbeth hebt zu einem Trinkspruch an. Etwas abseits teilt der Meuchelmörder dem König Macbeth mit, dass Banco tot sei, sein Sohn aber unbeschadet fliehen konnte. Der König will den Platz von Banco einnehmen, doch Bancos Geist, den die anderen sehen, kann dies verhindern. Macbeth halluziniert und erschreckt die Gäste mit unvollständigen und unpassenden Sätzen. Seine Frau versucht, ihn zu stärken und den Trinkspruch wieder aufzunehmen, doch Bancos Geist kehrt zurück zu Macbeth, der angstvolle Schreie von sich gibt und damit die Anwesenden verschreckt, die sorgenvoll den Saal verlassen.
Akt III
Die Hexen zaubern und tanzen zusammen in einer dunklen Höhle. Macbeth tritt zu ihnen und befragt sie nach seiner Zukunft. Drei Erscheinungen antworten ihm: er muss sich vor Macduff in Acht nehmen, keiner, der von einer Frau geboren wurde, wird ihm schaden und er wird unbesiegbar sein, bis sich der Wald von Birnam gegen ihn erheben wird. Macbeth, der noch nicht zufrieden ist, fragt, ob die Nachfahren von Banco nach ihm das Reich regieren werden. Daraufhin erscheinen acht Geister von Königen: der Letzte ist Banco, der in seiner Hand einen Spiegel trägt, der das Abbild der zukünftigen Herrscher trägt und der ihm lachend seine königlichen Nachfahren zeigt. Wie ein Irrsinniger wirft sich Macbeth gegen die Geister, um diese zu zerstören, doch er stürzt erschöpft und wird ohnmächtig. Um ihn herum beginnen Undinen und Sylphiden einen neuen Tanz. Als er aufwacht, ist seine Frau an seiner Seite und er beschließt, die Familien von Banco und Macduff zu vernichten.
Akt IV
Macduff wird von geflüchteten und übergelaufenen schottischen Flüchtlingen an einen verlassenen Ort an der Grenze zwischen Schottland und England begleitet. Diese beweinen das Schicksal ihrer unterdrückten Heimat. Auch Macduff denkt an seine Familie, die auf Befehl von Macbeth niedergemetzelt wurde. Malcolm erreicht ihn an der Spitze der englischen Verbündeten und befiehlt dann jedem Soldat, einen Ast des Waldes von Birnam vor sich zu tragen, damit die so getarnten Truppen zu der Burg des verfeindeten Königs voranschreiten können.
Im Burgsaal stehen ein Arzt und eine Hofdame Lady Macbeth bei, die vom Wahn befallen wurde. Die Königin reibt sich dauernd die Hände, um die unsichtbaren Blutflecken zu beseitigen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, wer sie umgibt, läuft sie wie eine Schlafwandlerin durch die Burg, verwirrt und erschöpft, sie ist Opfer einer grauenvollen Reue.
Macbeth, in einem anderen Saal der Burg, ist verängstigt: Obwohl ihn die Prophezeiung beruhigt, dass ihm keiner, der von einer Frau geboren wurde, schaden kann, bereut er es, keine Erben zu haben. Die Nachricht vom Tod der Lady Macbeth stört ihn nicht; doch er ist schwer getroffen, als ihm seine Krieger berichten, dass der Wald von Birnam sich zur Burg bewegt: da greift der König zum Schwert, um auf das Schlachtfeld zu laufen.
Die englischen Soldaten rücken, versteckt von den Ästen, auf weiter Ebene vor. Dann werfen sie das Laubwerk weg, ziehen die Schwerter aus den Hüllen und schreiten zum Angriff. Macduff erreicht Macbeth und eröffnet ihm, dass er aus dem Leib seiner Mutter geschnitten wurde und daher nicht von einer Frau geboren wurde. Dann versetzt er ihm einen tödlichen Stich. Malcolm wird zum König von Schottland ernannt.
EINBLICKE
Eine krone aus blei
Dramaturgin Katherina Lindekens im Gespräch mit Michael Thalheimer
Was fasziniert Sie an Shakespeares Werk?
Ich könnte mein ganzes Leben an Shakespeare arbeiten, ohne ihn je vollständig gefasst zu haben. Er ist ein unergründliches Genie. Was mich an seinem Universum besonders fasziniert, ist, dass all seine Werke um drei große Themenblöcke kreisen: Liebe, Macht und Tod. Seine Stücke haben etwas Universelles und Archetypisches. Das macht sie so zeitlos. Jede Generation kann sich davon inspirieren lassen und muss gleichzeitig ihren eigenen Schlüssel finden, sie zu durchdringen.
In Ihrer Regie ist der Nihilismus des Stücks fast greifbar...
Ich kenne wenige Opern, die so dunkel sind. Wie Theaterautor Heiner Müller reduzierte Verdi Macbeth auf den absoluten Kern des Dramas. Laut Verdi wird das Stück durch drei Hauptfiguren geprägt: Macbeth, Lady Macbeth und die Hexen. Zwischen ihnen spielt sich die gesamte Tragödie ab.
Wie interpretieren Sie dieses Dreieck, zumal Lady Macbeth bei Verdi noch bedeutsamer wird als in Shakespeares Original?
Macbeth ist ein schwacher Charakter. Oder besser gesagt: Er ist mächtig, hat aber eine noch mächtigere Frau an seiner Seite. Er liebt sie und tut alles, um sie glücklich zu machen. Genau das macht ihn schwach.
Gemeinsam träumen sie von der Krone. Und wenn eine Gruppe Hexen dann ausgerechnet diese Vorhersage trifft, dann ist davon auszugehen, dass man ihnen glaubt. Die Hexen lassen sich als Vergegenwärtigung unserer heutigen Gesellschaft lesen, die das Individuum auffordern, immer mehr zu haben, zu wollen und zu tun. Wir sind zum Erfolg verdammt. Im Grunde bekommt es Macbeth mit einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu tun. Die Hexen sind in seinem Kopf, sie sind ein Teil seiner selbst. Und er träumt sich sein eigenes Schicksal zusammen, indem er seine Frau glücklich machen will.
Sie denken, dass er aus Liebe handelt?
Nicht im traditionellen Sinne. Es ist kein Zufall, dass Macbeth die einzige Oper
von Verdi ist, die kein Liebesduett enthält. Aber als lieblos kann man das Stück auch nicht bezeichnen. Ich glaube, dass sich die Macbeths auf eine verzwickte Art und Weise lieben. Sie sind voneinander abhängig, aber einsam in ihrer Zweisamkeit. Ihm ist bewusst, dass sie sich einen mächtigen Mann wünscht und somit tut er alles, diesen Wunsch zu erfüllen - er ermordet sogar König Duncan, während er bei ihnen zu Gast ist. Lady Macbeth flüstert ihrem Mann alle möglichen Gräueltaten zu, und er folgt ihr. In dem Maße, wie sie die Morde gemeinsam vollziehen, geraten sie in eine Abwärtsspirale, die sie schlussendlich verrückt werden lässt. Sie kehrt sich nach innen, er nach außen - beide auf gleichermaßen zerstörerische Art und Weise.
Ihr Ehrgeiz reicht sogar über dieses Leben hinaus: Der Gedanke, dass Banquos Sohn jemals König werden könnte, ist für Macbeth unerträglich.
Ja, diese Besessenheit, dieses Hirngespinst sitzt in seinem Kopf und in seinem Herzen. Sein Wettlauf an die Spitze ist ein Szenario, das sich automatisch vollzieht. Nur: Macbeth will unbedingt König werden, hat sich aber nie gefragt, ob er diese Aufgabe erfüllen kann. Das Gleiche gilt für Lady Macbeth. Das Paar hat keine Vision, verlangt ausschließlich nach Macht. Was geschieht? Die Aufgabe wächst ihnen weit über den Kopf. Sie verlieren jegliche Kontrolle - über sich selbst und über das Königreich. Unter ihrer Krone klafft eine unergründliche Leere, eine immense Versagensangst, auf die hemmungslose Gewalt die einzige Antwort ist. Dieser Mechanismus lässt sich noch heute in der Politik beobachten. Weil Macbeth mit seiner Rolle nicht zurechtkommt, schürt er Gewalt und Brutalität aus seiner eigenen Angst und Frustration. Jeder, der gegen ihn ist, wird außer Gefecht gesetzt.
Die persönliche Tragödie der Macbeths ist also auch politisch?
Auf jeden Fall. Macbeth ist ein politisches Stück. Es spielt in Kriegszeiten zwischen Königinnen und Königen. Gleichzeitig übersteigt dieses Drama die Politik: Es ist eine universale Geschichte, ein Archetyp.
In der Kostümabteilung sind lange Regale mit Schottenröcken zu sehen. Eine interessante Wahl für ein Stück, in dem die Grenzen zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit verschwimmen.
Geschlechter sind in Macbeth tatsächlich ein ständiges Thema. Beispielsweise wird Macbeth in Shakespeares berühmter Bankettszene wahnsinnig, als er den Geist des toten Banquo an der Tafel sitzen sieht. Lady Macbeth fordert ihren halluzinierenden Mann heraus, indem sie an seine Männlichkeit appelliert: „Are you a man?“ Umgekehrt thematisiert sie vor dem Mord an Duncan auch ihre Männlichkeit: „Come, you Spirits / That tend on mortal thoughts, unsex me here, / And fill me, from the crown to the toe, top- full / Of direst cruelty!” („Kommt, Geister, / die ihr den mörderischen Gedanken zu Diensten seid, / nehmt mir mein Geschlecht / und füllt mich vom Scheitel bis zu den Zehen / voll mit schrecklichster Grausamkeit“). Die Beziehung zwischen den Macbeths stellt alle Geschlechterklischees auf den Kopf. Er wird als Schwächling dargestellt, sie als Wilde. Indem wir alle in Schottenröcke kleiden und ihnen lange Haare geben, spielen wir mit der Thematik, die sich durch Verdis Oper zieht: Es ist nicht immer offensichtlich, wer die Männer sind und wer die Frauen.
Kostüme sind in Shakespeares Macbeth auch immer eine Metapher für Macht. Über König Macbeth heißt: „Now does he feel his title / Hang loose about him, like a giant’s robe / Upon a dwarfish thief“ („Nun fühlt er sein Königtum lose um sich herumhängen wie das Gewand eines Riesen an einem zwergenhaften Dieb“).
Genau, und damit sind wir wieder am Anfang: Das Königreich und die Krone sind zu groß für den schwachen, ängstlichen Macbeth.