Mit dem Fliegenden Holländer schließt sich der Kreis

Ein stürmisches Prelude

Richard Wagner heiratete die deutsche Schauspielerin Wilhelmine „Minna“ Planer im Winter 1836. Ihre Beziehung war stürmisch, mit vielen Ausbrüchen des eifersüchtigen und besitzergreifenden Komponisten, welche Minna häufig in Tränen ausbrechen ließ. Die Schauspielerin hatte auch mit den Schulden ihres Mannes und die Drohungen von Seiten der Gläubiger ihm gegenüber zu kämpfen. Innerhalb von sechs Monaten verließ sie ihn für einen anderen Mann.

Um dem Fiasko zu entgehen, zog Wagner nach Riga (damals im Russischen Reich), wo der 26-Jährige Musikdirektor des Hoftheaters wurde und Minnas Schwester als Sängerin engagierte. Wagners Frau beschloss schließlich, sich ihm in Riga anzuschließen, aber sie lebten über ihren Verhältnissen, was ihnen noch mehr Schulden einbrachte. Das Paar versuchte von ihren Gläubigern wegzulaufen, aber da die Behörden bereits einen solchen Plan vermutet hatten, konfiszierten sie ihre Pässe.

Trotz des Risikos, von Grenzsoldaten erschossen zu werden, überquerten sie illegal Preußen. Sie nahmen dann einen Wagen zur Küste, aber er überschlug sich auf dem Weg, wobei Minna halb erdrückt wurde, was eine Fehlgeburt zur Folge hatte. Sie erreichten schließlich den Hafen von Pillau (heute Baltijsk in Kaliningrad) und gingen an Bord des Schiffes Thetis mit Kurs auf London, doch es geriet in einen Sturm und musste in einem norwegischen Fjord anlegen. Das Wetter und die Küste inspirierten Wagners Phantasie und er fragte die Seeleute nach der Legende des fliegenden Holländers. Nach einer furchterregenden 24-tägigen Reise, die eigentlich acht Tage gedauert hätte, kam Wagner mit seiner Frau an seiner Seite und seiner nächsten Oper im Kopf sicher in London an.

Ein geisterhaftes Schiff

Der Mythos eines Phantomschiffes, das dazu verurteilt war, für immer auf den Ozeanen zu segeln, ist wahrscheinlich im goldenen Zeitalter der Dutch East India Company im 17. Jahrhundert entstanden. Die erste Druckschrift erschien in John MacDonalds Reisebericht von 1790 Travels in various parts of Europe, Asia and Africa during a series of thirty years and upward, in dem Seeleuten der fliegenden Holländer während eines Sturms erscheint. Im Laufe des nächsten halben Jahrhunderts erschienen mehrere Geschichten, die von der Legende inspiriert wurden, einschließlich „Vanderdeckens Message Home“ und Samuel Taylor Coleridges Die Ballade vom alten Seemann.

Heinrich Heines Satireroman Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski führte als erster den verfluchten Kapitän ein, der alle sieben Jahre einen Fuß an Land setzte, um durch die Verehrung einer treuen Gattin gerettet zu werden. Heine nutze diese erlösende Kraft der Liebe als Mittel für ironischen Humor, doch als Wagner sein Libretto für Der fliegende Holländer schrieb, nahm er das Thema wörtlich und ernst. Der Mythos des fliegenden Holländers wurde seitdem in unzähligen Adaptionen nacherzählt, so etwa in dem Disneyfilm aus dem Jahre 2006: Fluch der Karibik 2.

Ein historisches Ereignis in einer historischen Umgebung

Nach 160 Jahren und zahllosen Bearbeitungen kehrt der Fliegende Holländer endlich an die Ufer des stürmischen Meeres zurück, an dem Wagner die Idee zur Oper zum ersten Mal kam. Im August 2020 inszenierte das Staatliche Musiktheater Klaipėda diese Produktion der Oper in Litauen: das Projekt hätte nicht ehrgeiziger sein können und wurde als eines der meist gefeierten kulturellen Ereignisse des Jahres in Litauen gefeiert.

Die Aufführung fand in Klaipėda auf dem hundert Jahre alten Schiffshebewerk der Paul-Willy-Lindenau-Werft statt, dessen riesige Rahmenkonstruktionen und Hebewerke eine spektakuläre Kulisse für die Oper boten. Unter freiem Himmel inszeniert, konnten 1000 sozial distanzierte Zuschauer der Aufführung beiwohnen - ein seltenes Gemeinschaftserlebnis in einem Jahr der wiederholten Theaterschließungen.

Mit der Inszenierung in einem Kreuzfahrthafen stellte sich das künstlerische Team um den Konzept- und künstlerischen Leiter Dalius Abaris der Herausforderung, mit Regen und starken Windböen umzugehen. Mit Hilfe modernster Audiotechnik gelang es ihnen, sowohl das Orchester als auch die Sänger*innen so klingen zu lassen, als ob die Inszenierung in einem großen Konzertsaal stattfinden würde. Doch die extremen Wetterbedingungen waren nicht der einzige erschwerende Faktor der Produktion: Die Tontechniker*innen mussten auch mit den Darstellenden umgehen, die sich ständig über eine 50 Meter lange Bühne und sogar darüber hinaus bewegten. Abaris dazu: „Das war eine große Herausforderung, nicht nur für das Tonteam, sondern auch für die Interpreten. Wenn die Leute über 40 Meter voneinander entfernt sind, müssen die Sichtbarkeit der Monitorsysteme und die Beziehung zum Dirigenten einwandfrei sein.“

Die Produktion des Klaipėda State Music Theatre war sowohl ein Kritiker- als auch ein Publikumserfolg und wurde bei der Verleihung der litauischen Theaterpreise am 27. März 2021, den wichtigsten Preisen für darstellende Künste in Litauen, in fünf Kategorien nominiert. Von den fünf Nominierungen in den Kategorien beste Regie, bestes Bühnenbild und bester Solist gingen zwei Goldene Kreuze der Bühne an das Kreativteam von Der fliegende Holländer: Dalius Abaris wurde als bester Regisseur und Tadas Girininkas als bester Solist ausgezeichnet.

Diese Vorstellung ist nicht mehr auf unserer Plattform verfügbar. Sie können aber weiterhin das Bonusmaterial der Produktion hier nutzen.