Die tote Stadt
Nach dem Tod seiner jungen Frau hat sich ein Witwer von der Außenwelt isoliert. Der trauernde Mann lebt nur für die Erinnerungen an sie, bis er eines Tages auf eine Tänzerin trifft, die ihm sehr bekannt vorkommt.
In Zusammenarbeit mit dem Generalmusikdirektor Ainārs Rubiķis inszeniert der kanadische Starregisseur Robert Carsen seine Debütproduktion des musikalischen Psychothrillers von Korngold an der Komischen Oper Berlin. Es ist einer der größten Hits der 1920er Jahre.
Besetzung
Paul | Aleš Briscein |
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Marietta/Marie's Apparition | Sara Jakubiak |
Frank, Paul's Friend/Fritz, the Pierrot | Günter Papendell |
Brigitta, Paul's Housekeeper | Maria Fiselier |
Juliette, Dancer | Georgina Melville, Marta Mika |
Victorin, the Director | Adrian Strooper |
Count Albert | Ivan Turšić |
Chor | Soloists of the Komische Oper Berlin |
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Musik | Erich Wolfgang Korngold |
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Dirigent | Ainārs Rubiķis |
Inszenierung | Robert Carsen |
Bühne | Michael Levine |
Licht | Robert Carsen, Peter van Praet |
Kostüme | Petra Reinhardt |
Chorleitung | David Cavelius |
Children's chorus master | Dagmar Fiebach |
Dancers | Kai Braithwaite, Michael Fernandez, Hunter Jaques, Shane Dickson, Danilo Brunetti, Daniel Ojeda, Paul Gerritsen, Lorenzo Soragni |
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Video
Handlung
Akt I
Nach dem Tod seiner Frau Marie hat sich Paul in sein Haus zurückgezogen. In einem Zimmer, das er »Kirche des Gewesenen« nennt, bewahrt er alles auf, was ihn an Marie erinnert, auch ihre wunderschönen langen Haare. Pauls Freund Frank erfährt durch die Haushälterin Brigitta vom Tod Maries. Paul kommt dazu und berichtet euphorisch von seiner Begegnung mit einer Unbekannten, in der er seine verstorbene Frau wiederzuerkennen meint. Als sie ihn besucht, entdeckt Paul, dass sie Marietta heißt und Tänzerin ist. Realität und Wunschdenken verschwimmen für Paul und nachdem sie weggegangen ist, erscheint ihm seine tote Frau, die ihn an ihre gegenseitige Liebe erinnert und seine Treue fordert.
Akt II
Pauls Obsession in Marietta steigert sich. Auf dem Weg zu ihr begegnet Paul Brigitta, die sich aus Enttäuschung über die Affäre von ihm abgewandt hat. Als Paul danach auf Frank stößt, gesteht dieser, dass er und Marietta ein Verhältnis haben. Im Streit kündigt Frank ihre Freundschaft auf. Aus einem Versteck beobachtet Paul, wie Marietta im Kreise ihrer Tänzerfreunde und Liebhaber die Totenerweckung der Helene im Ballett aus Giacomo Meyerbeers Oper Robert, der Teufel nachspielt. Eingeholt von der Vergangenheit platzt Paul dazwischen und offenbart Marietta, dass er in ihr nur seine tote Marie gesucht hat. Marietta gelingt es, Paul aufs Neue zu verführen, und besteht darauf, dass sie sich diesmal in seinem Haus und in Maries Bett lieben.
Akt III
In Pauls Haus fühlt Marietta, dass sie über ihre tote Rivalin triumphiert hat. Paul sieht ekstatisch einer Prozession zu, die an seinem Haus vorbeizieht. Marietta verhöhnt ihn wegen seiner Frömmigkeit und provoziert ihn immer weiter, indem sie mit Maries Reliquien einschließlich ihren Haaren spielt. Paul wirft sie zu Boden und erdrosselt Marietta mit Maries Haaren. Da kündigt Brigitta die Wiederkehr von Marietta an, die einen Strauß Rosen vergessen hat. Auch Frank kehrt zurück und bittet Paul, mit ihm zu gehen und die tote Stadt zu verlassen.
Einblicke
1° Ein junger Komponist
Erich Wolfgang Korngold hatte bereits ein Ballett und zwei Einakter komponiert, als er mit 20 Jahren sein erstes großes Werk Die tote Stadt vollendete. Es ist ein spätromantisches Meisterwerk, das tief in das undurchdringliche Durcheinander des Unterbewusstseins eintaucht und die Opernwelt im Sturm eroberte. Neben Richard Strauss war Korngold der meistgespielte Komponist auf den deutschen Bühnen, bis die Nationalsozialisten seine Opernkarriere zu einem vorzeitigen Ende brachten. 1934 zog er in die Vereinigten Staaten, um Filmmusik zu schreiben, wo er mit seinen Partituren für The Informer, Anthony Adverse und The Adventures of Robin Hood jeweils einen Oscar gewann. „Musik ist Musik“, sagte er, „ob Bühne, Podium oder Kino." Seine spätromantischen Kompositionen waren nicht mehr populär, als er 1957 verstarb, doch in den letzten Jahrzehnten erlebten seine Werke endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienen .
2° Der Tod und die Stadt
Die tote Stadt basiert auf dem symbolistischen Kult Roman Bruges-la-Morte (Das tote Brügge) des belgischen Autors Georges Rodenbach. Es ist bemerkenswert, dass das im Jahr 1892 veröffentlichte Werk der erste fiktive Roman ist der mit Fotografien illustriert wurde. Der Roman erzählt die Geschichte von Hugues Viane, einem trauernden Witwer, der in die stille, melancholische, verlorene Stadt Brügge flüchtet. Seine morbide Vorstellung von Erotik entspricht ganz dem Fin de siècle Geist, als sein Schicksal zur mittelalterlichen Stadt und zur Metapher für ihn selbst wird: „Auf diese Weise verkörperte die einst ebenfalls schöne und geliebte Stadt den Verlust, den er empfand. Brügge war seine tote Frau und seine tote Frau war Brügge. Die beiden waren in einem ähnlichen Schicksal vereint. Es war das tote Brügge, das in seinen steinernen Kais vergraben war, mit den Arterien ihrer kalten Kanäle, seitdem dort der Puls des Meeres aufgehört hatte zu schlagen.“
3° Eine literarische Bewegung
Charles Baudelaires Les Fleurs du Mal (Die Blumen des Bösen), ein Vierteljahrhundert vor Rodenbachs Brügge-la-Morte veröffentlicht, gilt als das erste Werk der symbolistischen Literatur. Von Autoren wie Stéphane Mallarmé, Paul Verlaine und Maurice Maeterlinck übernommen, entwickelte sich der Stil langsam zu einer Bewegung und 1886 veröffentlichte die französische Zeitung Le Figaro das „Symbolistische Manifest“. Es wurde von dem Dichter und Essayisten Jean Moréas verfasst und beschreibt die symbolistische Poesie als „Feind der Erziehung, der Deklamation, der falschen Gefühle und der objektiven Beschreibung", die stattdessen „versucht, die Idee in einer sensitiven Form aufzubereiten, die allerdings nicht die Idee selbst als Ziel sieht, während die Idee selbst auszudrücken, subjektiv bleibt. Die Idee sollte ihrerseits nicht seiner prächtigen Gewänder durch fremde Analogien beraubt werden; denn der wesentliche Charakter der symbolischen Kunst besteht darin, niemals bis zur Konzentration auf die Kernidee an sich zu gehen.
4° Symbolismus in der Musik
Mehrere französische Komponisten wurden von symbolistischen Autoren beeinflusst. Gabriel Faurés Liederzyklus Cinq mélodies „de Venise“ basiert auf Gedichten von Verlaine und er schrieb Begleitmusik für Pelléas et Mélisande, ein symbolistisches Stück von Maeterlinck. Claude Debussy verwendete Gedichte von Les Fleurs du mal für seinen Liederzyklus Cinq poèmes de Charles Baudelaire; er nutzte Mallarmés L'après-midi d'un faune als Grundlage für sein berühmtes Prélude; und seine eigene Adaption von Pelléas wird jetzt als die archetypische symbolistische Oper gesehen. Als sich die Bewegung über Europa verbreitete, experimentierten andere Komponisten und Librettisten mit diesem Stil. Zu den Opern, die heute als Symbolisten gelten, gehören Béla Bartóks Herzog Blaubarts Burg, Richard Strauss Salome und Elektra, Sergej Prokofjews Der feurige Engel und Korngolds Die tote Stadt.