
Die Olympischen Spiele 1972 in München. Sie sollten ein fröhliches Fest des Sports im Namen des Friedens werden. Doch die Katastrophe ereignete sich vor den Augen der Welt. Elf israelische Sportler wurden ermordet. Deutschland war nicht in der Lage, seine Gäste zu beschützen.
Die Oper Echo 72. Israel in München ist ein Auftragswerk der Staatsoper Hannover und wird von einem außerordentlichen und bewährten Inszenierungsteam produziert. Das Libretto stammt von Roland Schimmelpfennig, einem der meistgespielten Dramatiker unserer Zeit, der zuletzt mit seiner Reihe von Adaptionen antiker Dramen unter dem Titel Anthropolis am Deutschen Schauspielhaus Hamburg für Aufmerksamkeit sorgte. Die Werke des Komponisten und Schlagzeugers Michael Wertmüller wurden beim Lucerne Festival, in der Hamburgischen Staatsoper und bei der Ruhrtriennale uraufgeführt. Seine Musik verbindet emotionale Direktheit und faszinierende Rhythmik. Echo 72. Israel in München steht unter der Regie von Lydia Steier, deren Inszenierungen von Die Hochzeit des Figaro (Hannover) und La Vestale (Paris) bereits auf OperaVision zu sehen waren. Titus Engel, renommierter Dirigent und Experte für zeitgenössische Musik, ist für die musikalische Leitung dieser wichtigen neuen Oper verantwortlich, die hier am Premierenabend live übertragen wird. Ausgehend von den historischen Ereignissen des Jahres 1972 verspricht Echo 72. Israel in München, eine eindringliche Warnung vor den Folgen von Hass und Ignoranz sowie ein mitreißender Appell für den Dialog und die Menschlichkeit zu sein.
BESETZUNG
Ein Trainer | Daniel Eggert |
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Eine Leichtathletin | Ketevan Chuntishvili |
Eine schwangere Frau | Ruzana Grigorian |
Ein Gewichtheber, ihr Mann | Philipp Kapeller |
Eine Fechterin | Beatriz Miranda |
Eine andere Fechterin | Freya Müller |
Ein Ringer | Darwin Prakash |
Ein anderer Ringer | Luvuyo Mbundu |
Ein Sportschütze | Yannick Spanier |
Polizist | Ziad Nehme |
Die Klage (Live) | Idunnu Münch |
Die Klage (Video) | Corinna Harfouch |
Kampfrichterinnen | Chor der Staatsoper Hannover |
Orchester | Niedersächsisches Staatsorchester Hannover |
Chor | Chor der Staatsoper Hannover Statisterie der Staatsoper Hannover |
Band | Steamboat Switzerland |
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Musik | Michael Wertmüller |
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Text | Roland Schimmelpfennig |
Musikalische Leitung | Titus Engel |
Regie | Lydia Steier |
Bühne | Flurin Borg Madsen |
Kostüme | Andy Besuch |
Licht | Elana Siberski |
Video | Elisa Gómez Alvarez Rebecca Riedel |
Chorleitung | Lorenzo Da Rio |
Dramaturgie | Sophia Gustorff Daniel Menne Martin Mutschler |
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This production is supported by Prohelvetia, Ernst von Siemens Music Foundation and Fondation Suisa.
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Handlung
In Echo 72 trifft sich die Welt zu einem internationalen Sportfest, ohne dass im Detail auf das Jahr und den Ort eingegangen wird. In theoretischen und praktischen Trainingseinheiten wird schnell der Bezug deutlich, den die jeweils thematisierten Sportarten zum politischen Hintergrund haben. Hier orientiert sich der Text an den von den in München ermordeten Sportlern ausgeübten Disziplinen Hürdenlauf, Gewichtheben, Fechten, Ringen und Schießen. Was vielleicht zunächst sonderbar erscheint – Sportarten als Thema einer Oper – offenbart schnell einen tiefen emotionalen Kern. Wobei sich, natürlich, jede poetische Entfernung von dem historischen Hintergrund gleichzeitig immer auch an der bitteren Realität des Anschlags von München brechen muss. In diesem Spannungsfeld ist die „Klage“ entstanden, ein zusätzlicher, nicht in die „fiktive“ Welt des Sports eingebundener Text, der die Namen der Opfer und die realen Umstände ihres gewaltsamen Todes nennt.
Schon der Eröffnungschor handelt von einem Recht, von einem Versprechen auf Leben und nimmt so bereits den Gedanken des Sports und insbesondere der Olympiade als Projekt des Friedens vorweg. Doch bereits in der darauffolgenden Szene, einer Trainingseinheit zur Vorbereitung auf die Wettkämpfe im Hürdenlauf, kann ein älterer Leichtathletiktrainer nicht anders, als trotz aller sportlichen Dynamik und motorischen Planbarkeit daran zu denken, dass das Leben keineswegs nur ein einfacher Hürdenlauf ist, nein, ganz im Gegenteil.
Anschließend erklärt ein Gewichtheber im Streit mit seiner schwangeren Frau, wie wichtig es ist, durch die sportliche Anstrengung sich als Nation zu konstituieren und international zu präsentieren, so hart und anstrengend dies auch sein möge.
Die Nationen ziehen in das olympische Stadion ein. In einem großen Chor wird die Grundidee der Olympiade beschworen: Sport statt Krieg. Das olympische Feuer wird entzündet. Die Spiele haben begonnen, und es gilt: Dabei sein ist alles. Aber: Wer dabei ist, wer sich exponiert, macht sich auch angreifbar. Im Duett zweier Sportfechterinnen wird dieser Konflikt anhand der acht gängigen und regelkonformen Paraden des Degen- und Florettfechtens beschrieben. Schon eilen die Spiele unter den Augen der ganzen Welt einem weiteren Höhepunkt zu: dem Kampf der Ringer. Wer diese Kontrahenten genau sind oder welche Nationen sie vertreten, wird auch an dieser Stelle nicht spezifiziert. Während der Chor den anstehenden Kampf von Mann gegen Mann als einen der ältesten und „reinsten“ aller Wettkämpfe feiert, sind die beiden Ringer schon vor Beginn des Kampfes in der scheinbar ausweglosen Dynamik von „siegen“ und „besiegen“, „gewinnen“ und „verlieren“ gefangen.
Von diesem Moment an bewegt sich der Abend gleichzeitig in zwei entgegengesetzte Richtungen weiter. Der Chor nimmt das Himmelsmotiv vom Anfang wieder auf, aber nun ist der Himmel kein Versprechen mehr, sondern ein Abbild des Scheiterns. Ein Stern fällt vom Himmel und zerreißt ihn. Es regiert der Tod. Auch die jeweiligen Sportler:innen beschreiben die Unmöglichkeit der Ausübung ihrer Disziplinen. Tausend Arme bräuchte man, sagt eine Fechterin, die acht Paraden reichen nicht aus, um sich keine Blöße zu geben. Der Gewichtheber wird unter der Last der Eisen zusammenbrechen. Ein Sportschütze und ein Polizist beschreiben die Technik des Schießens, ein für gewöhnlich fast mathematischer Vorgang, der das Auge und die Hand des Schützen auf gerader Linie mit dem klar definierten Ziel verbindet. Was aber, wenn die Kugel einen ganz anderen, nicht zu berechnenden Weg nimmt?
Während die beiden Ringer sich voneinander verabschieden müssen, beginnt mit einem weiteren großen Chor die Abschlussfeier der Nationen. Die Kugel, von der der Sportschütze und der Polizist gesprochen hatten, fliegt und fliegt. Der Hürdenlauf aber endet mit dem anfangs von dem Trainer vorhergesehenen Sturz. Der Läufer, der vorhin noch wie für immer in der Luft hing und in den Himmel griff, schlägt auf. Ob er wieder aufsteht, bleibt offen. Es ist Nacht geworden. Schlusschor: Der schwarze Himmel ohne Sterne.
Auszüge eines Textes von Roland Schimmelpfennig
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