Bayerische Staatsoper

Les Indes galantes

Rameau
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Während die Jugend Europas die Liebe aufgibt, um Bellone in den Krieg zu folgen, macht sich Amor auf, seine Pfeile in die Welt zu schießen.

Les Indes galantes, ein Meisterwerk der Aufklärung, ist funkelnde Unterhaltung. Doch Rameaus erstes Opernballett zeugt auch von der zweideutigen Sicht der Europäer auf sogenannte wilde Kulturen. Der belgische Choreograf und Regisseur Sidi Larbi Cherkaoui bringt Les Indes Galantes in einen zeitgenössischen Rahmen, in dem die Globalisierung die Vorstellungen von Exotik verändert hat.

Besetzung

Hébé
Lisette Oropesa
Bellone
Goran Jurić
L'Amour
Ana Quintans
Osman
Tareq Nazmi
Emilie
Elsa Benoit
Valère
Cyril Auvity
Huascar
François Lis
Phani
Anna Prohaska
Don Carlos
Mathias Vidal
Tacmas
Cyril Auvity
Ali
Tareq Nazmi
Zaire
Ana Quintans
Fatime
Anna Prohaska
Damon
Mathias Vidal
Don Alvaro
François Lis
Zima
Lisette Oropesa
Adario
John Moore
Tänzer.innen
Tänzer der Compagnie Eastman, Antwerpen
Chor
Balthasar-Neumann-Chor, Freiburg
Orchester
Münchner Festspielorchester
...
Musik
Jean-Philippe Rameau
Dirigent
Ivor Bolton
Stage director & Choreographer
Sidi Larbi Cherkaoui
Bühnenbild
Anna Viebrock
Costumes designer
Greta Goiris
Licht
Michael Bauer
Dramaturgie und Anpassung der Dialoge
Antonio Cuenca, Miron Hakenbeck
Chorleitung
Detlef Bratschke
...

Video

Trailer

TRAILER | LES INDES GALANTES Rameau – Bayerische Staatsoper

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Handlung

Prolog

Hébé versammelt die Jugend, um ihr Wissen über die menschliche Natur und die Liebe an sie weiterzugeben. Sie wird dabei durch Bellona gestört, die für ihre kriegerischen Ideale zahlreiche Jungen gewinnen kann. Während letztere in die Schlacht ziehen, bleibt Hébé ratlos zurück. Da kommt ihr die Liebe zur Hilfe. Bestärkt macht sich Hébé auf die Suche nach Möglichkeiten, ihre Vorstellungen und Werte Realität werden zu lassen.

Erster Aufzug – Der großmütige Türke

Emilie ist das Objekt der Anbetung Osmans. Unablässig drängt dieser sie, seinem Liebeswerben nachzugeben. Sie aber bleibt ihrem Geliebten Valère treu, den sie aus den Augen verloren hat, als beide durch eine Katastrophe getrennt wurden. Emilie befürchtet, Valère könne nicht mehr leben. Ihre Ängste überwältigen sie und finden ihr Echo in einem plötzlich ausbrechenden Unwetter. Nach dem Abklingen des Unwetters entdeckt Emilie Valère in einer Gruppe von Neuankömmlingen. Ihre Wiedersehensfreude wird von Osman unterbrochen, der Emilie jedoch gegen jede Erwartung mit Valère ziehen lässt und dem Paar eine glückliche Zukunft wünscht.

Zweiter Aufzug – Die Inka Perus

Der Priester Huascar liebt Phani, eine Gläubige seiner Gemeinde. Sie aber hat einen Fremden namens Carlos erwählt, der sie ebenso liebt und sie ermuntern will, ihren Glauben aufzugeben. Huascar versucht, diese Liebe zu durchkreuzen und Phani für sich zu gewinnen, indem er sich als Sprachrohr des göttlichen Willens ausgibt und Phanis Schuldgefühle weckt. Um seinen Einfluss auf sie zu steigern, geht er während einer religiösen Zeremonie so weit, übernatürliche Phänomene vorzutäuschen. Carlos erkennt, durch welche Mittel Huascar die Wunder hervorruft und enthüllt Phani dessen Machenschaften. Phani und Carlos fliehen. Allein zurückgelassen erfleht Huascar, von Gottes Zorn getroffen zu werden.

Dritter Aufzug – Die Blumen, ein persisches Fest

Tacmas und Fatime verkleiden sich um der Liebe willen: Getarnt als das jeweils andere Geschlecht hoffen sie, ihren Angebeteten näher zu sein. So liebt Tacmas Zaïre, die Sklavin seines Freundes Ali, dieser wiederum liebt Fatime, die sich im Besitz von Tacmas befindet. Nach zahlreichen Verwicklungen und Verwechslungen feiern zwei glückliche Paare ihre Liebe, doch müssen sie schon bald in ein anderes Leben aufbrechen.

Vierter Aufzug – Die Wilden

Dem Befehlshaber der Streitkräfte Adario ist es gelungen, seiner Nation den Frieden zu sichern. Trotz dieses Erfolges ist er von der Sorge erfüllt, die von ihm angebetete Zima könne einen anderen lieben. Er versteckt sich, um zwei Fremde zu belauschen, die Zima ebenso umwerben: Damon und Alvar. Der eine ist so freigeistig und frivol, wie der andere treu und eifersüchtig. Zima gibt jedoch Adario den Vorzug, der beider Vorzüge in sich verbindet, ohne dabei ihre Schwächen aufzuweisen. Nachdem der Versteckte sich zu erkennen gibt, versichern sich Adario und Zima gegenseitig ihre Liebe. Mit dieser Gewissheit zelebrieren sie sowohl ihren Liebesbund als auch den gerade errungenen zerbrechlichen Frieden.

Einblicke

Der Fremde in uns

In Les Indes galantes, einem 1735 komponierten französischen Barock-Opernballett, erzählt Jean-Philippe Rameau in vier verschiedenen Episoden und in ebenso vielen verschiedenen kulturellen Kontexten Geschichten über Liebe, Eifersucht und Erlösung. Wo der Komponist von der Exotik fremder Länder verführt wurde und seine Oper mit Türken, Peruanern, Persern und Indianern bevölkert, zeigt der belgische Regisseur und Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui das Vertraute im Unbekannten.

Sidi Larbi Cherkaoui
The relationship to foreign cultures in the work has a sense of naivety. I love to keep that naivety because there’s something beautiful about it, but then reverse it and compare those cultures much more with what we know.

Zusammen mit einem großen Gesangsensemble und den Tänzer*innen seiner Compagnie Eastman aus Antwerpen bringt Cherkaoui Rameaus Opernballett auf die Bühne des Prinzregententheaters in München. Cherkaoui setzt die Handlung in eine mehr oder weniger zeitgenössische Welt setzt und nähert sich ihr mit einer typisch barocken Fülle.

Cherkaoui verbindet die vier verschiedenen Episoden, die an weit entfernten Orten spielen, zu einer übergreifenden Geschichte. Die Solisten singen verschiedene Rollen, die jedoch zu einer einzigen Figur verschmelzen. „Es gibt weniger Figuren, dafür leben sie komplexere Liebesgeschichten‟, erklärt Cherkaoui. „Weil diese Liebesgeschichten vielschichtiger sind, sind sie tatsächlich realer und sie verbinden sich mehr mit dem, was Liebe heute ist.‟

Die Sopranistin Lisette Oropesa zum Beispiel verkörpert sowohl Hébé als auch Zima. Im Prolog wird die Jugendgöttin Hébé als Lehrerin dargestellt. „Sie versucht immer, die Ideen der Natur, des Friedens, der Liebe und der Harmonie hervorzubringen, denn in der Welt, die wir in dieser Oper aufgebaut haben, gibt es viele Spannungen. Die Menschen sind immer auf der Suche nach Liebe unter kulturellen Spannungen‟, sagt Oropesa. 

Da in diesem Opernballett die Bewegung eine zentrale Rolle spielt, ist Cherkaoui besonders auf den Rhythmus bedacht. Das Bühnenbild wechselt über den Tanz, da dieser die Bühnenausstattung gegen Ende jedes Aktes bewegt. Die Szenerie des folgenden Aktes wird in fließenden Übergängen vor dem Ende des vorhergehenden Aktes aufgebaut. Dies bricht nicht nur mit der Idee eines einzigen Raumes, sondern unterstreicht auch die Kontinuität des Themas zwischen verschiedenen Akten. Auch wenn wir von einem Kontinent zum anderen gebracht werden, bleiben wir unserem Thema treu: der Liebe.

Im zweiten Akt, zum Beispiel, verwandelt Cherkaoui den Inkapriester Huascar frech in einen katholischen Priester. Als dieser ein Ballett von Paaren heiratet, sehen wir, wie er einem schwulen Paar seinen Segen verweigert. Hier zeigt sich die für Cherkaouis Werk charakteristische scharfe Religionskritik.

Sidi Larbi Cherkaoui
When you compare yourself to other cultures, you realise that you are exactly the same. You have the same framework. Whatever will happen to them could happen to you.

Mit dem explosiven Titel Die Wilden zeigt Akt IV Migranten, die in als Putzkräfte tätig sind. Einmal choreographiert Cherkaoui den außergewöhnlichen Soloakt eines Reinigungstänzers um seinen Besen, und dort das Ballett einer Menschenkette, die sich wie in einer Kette von fallenden Dominosteinen bewegt.

Als Lisette Oropesa in der Rolle der Zima auf die Bühne zurückkehrt, ist sie immer noch eine Lehrerin. „Inzwischen ist mit unserer Flüchtlingsgruppe viel passiert,‟ erklärt Oropesa. „Mehrere verschiedene ethnische Gruppen sind in einen Konflikt verwickelt, und die Welt ist im Grunde zerstört. Zima versucht immer noch, diesen kleinen Kindern beizubringen, wie sie in dieser Welt voller Gewalt weiterleben können.‟

Die übergreifende Aussage, ist nicht so sehr eine verkürzende oder pessimistische Weltsicht als vielmehr eine bunte Darstellung der Menschlichkeit. Die Tänze sind zusätzliche Charaktere in dieser Vision. „Alle diese Sängerinnen und Sänger‟, so Cherkaoui, „sind Facetten unserer eigenen Menschlichkeit. Und ich glaube, die Tänzer sind es auch. Selbst wenn sie nichts sagen, sind sie sehr wichtig, denn manchmal sind es die Menschen in Ihrem Leben, die am wenigsten sagen, die am meisten bewirken‟.

Durch die Sprachen der Musik und des Tanzes erzählt Cherkaouis Inszenierung von Les Indes galantes eine Geschichte des Aufeinandertreffens von Kulturen und letztlich eine Geschichte über uns.