Ein moderner Opernthriller, der den Weg eines jungen Geigers zur Besessenheit erzählt - eine Produktion, die den FEDORA - GENERALI Preis für Oper 2017 gewann.
Besetzung
Martin | Aaron Monaghan |
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Hannah | Márie Flavin |
Amy | Sharon Carty |
Matthew | Benedict Nelson |
Chor | Wide Open Opera Chorus |
Orchester | Crash Ensemble |
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Musik | Donnacha Dennehy |
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Dirigent | Ryan McAdams |
Inszenierung | Enda Walsh |
Bühne | Jamie Vartan |
Licht | Adam Silverman |
Kostüme | Joan O'Clery |
Text | Enda Walsh |
Chorleitung | Killian Farrell |
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Video
Handlung
Martin spielt als zweiter Violinist in einem Ensemble und vergöttert die Musik von Carlo Gesualdo.
Doch Martins Leben bricht auseinander. Er trinkt und spielt pausenlos Videospiele. Dabei vernachlässigt er seine Geigenübungen und vergisst nach und nach seine Violine. Sein Handy lässt er links liegen und antwortet nicht mehr auf seine Nachrichten. Martin erstellt ein Profil auf einem Dating-Portal unter dem Pseudonym Carlo. Immer wieder ändert er sein Profil. Zuerst beschreibt er sich als begeisterter Violinist, dann als Opernkomponist und schlussendlich als „allein“. Als er der Verzweiflung nahe ist, erreicht ihn eine Stimme aus seinem Computerbildschirm.
Matthew und Amy sind verheiratet und bewirten zurzeit Hannah, einen Hausgast. Martin ist außer sich über diese Situation. Amy verliebt sich in Hannah und ihre Ehe zu Matthew zerbricht. Als Matthew die Affäre seiner Frau entdeckt, tötet er die Beiden. Ein Schicksal, das an den berüchtigten Mord von Gesualdos Frau und ihrem Liebhaber erinnert.
Während der Oper wird immer deutlicher, dass wir mit Martins eigener Vergangenheit konfrontiert werden. Er arrangiert ein Treffen im Wald mit der Stimme, die aus dem Computerbildschirm zu ihm sprach.
Einblicke
Die irische Mezzosopranistin Sharon Carty spielte in der Uraufführung Dennehys Oper die Rolle der Amy und prägte somit die Darstellung der Rolle. In einem Gespräch mit Operavision sprach sie über den Prozess bei der Annäherung an eine neue Rolle während der Proben und Aufführungen.
Was sagt der Charakter Ihrer Rolle in der Oper Second Violinist für Sie aus?
Ein sehr interessantes Thema, über das man sich unbedingt Gedanken machen sollte! Während den Proben dachte ich oft über die Aussage und die Perspektive der Oper nach. Als das Stück fertig geprobt war und wir auf die Bühne kamen, wurde sofort klar, dass es keine eindeutige Aussage gibt. Meiner Meinung nach gibt es keine klar definierte Perspektive. Alles ist irgendwie in Martins Erinnerung, doch dann ist man sich nicht sicher, ob es tatsächlich so war oder ob es durch sein Bewusstsein und seine Sichtweise mitgeteilt wurde. Dann haben Sie auch viele scheinbar „objektive“ externe Informationen, wie Ausschnitte von Kollegen, die über ihn sprechen, oder Freunde, die sich bei ihm melden, doch er die Nachrichten unbeantwortet lässt. Für mich sieht es also so aus, als ob es keine bestimmte Perspektive gibt. Und genau, weil der Schauspieler Martin schweigt, muss man sich fragen, ob diese drei singenden Charaktere real sind, oder sich nur in Martins Kopf befinden. Kommen die Worte der Sänger tatsächlich von ihnen selbst? Oder spielt sich das alles nur in Martins Gedanken ab? Es lässt einen etwas unsicher zurück, wessen Version die richtige ist. Das find ich gut, denn dann hat das Publikum auch etwas zu tun! So etwas wie die eine Wahrheit gibt es nämlich nicht!
Ich denke, dass Amys Rolle sich auf zwei verschiedene Arten ausdrückt. Eine davon, ist die, wenn sie auf der Bühne steht. Hier zeigt sich Amy, wie jedem in der Öffentlichkeit und sie konzentriert sich darauf, wie sie in Bezug auf andere Menschen definiert wird: ihre Beziehung zu Matthew, die an sie gestellten Erwartungen als Ehefrau und ihre Freundschaft mit Hannah, die sie an eine hoffnungsvollere, freiere Zeit erinnert. Um ihrer Unzufriedenheit mit Matthew zu entkommen, versucht sie eine neue Beziehung einzugehen. Für mich definiert sie sich ständig in Bezug auf ihre Beziehung zu anderen Menschen.
Die beiden Solo-Arien zeigen uns ihren anderen Ausdruck. Während Hannahs und Matthews Arien die Charaktere in Konversation - wohl eher in Konfrontation - miteinander involvieren, sind Amys Arien viel introspektiver. Sie verraten die tiefe Enttäuschung von ihrem Ehemann, die sie mit dem Gedanken spielen lässt, ihn zu verlassen, was verheerende Folgen mit sich bringt. Aber diese Dinge gibt sie nie Preis. Das Publikum hört selbstverständlich zu, aber sie konfrontiert Matthew nie damit, dass sie ihn für Hannah verlässt. Die Hoffnung und die private Überwindung ihrer Gefühle, wie sie in ihrer zweiten Arie dargestellt ist, ist umso ergreifender, wenn wir die darauffolgenden Handlungen von Matthew sehen.
In der Oper liegt der Schwerpunkt auf Martins Besessenheit von Gesualdo. Denken Sie, dass diese Besessenheit auf die von Amy übergeht?
Es gibt sicherlich Parallelen zwischen Martin und Gesualdo, die in der ganzen Oper zu sehen sind. Gesualdo wurde als ein echtes Genie anerkannt. Seine Musik ist bahnbrechend. Einige Parallelen wurden eindeutig verwendet und manche werden durch den Charakter von Martin etwas mehr erzwungen. Doch ich denke, das sollte das Publikum selbst entscheiden. Während sich die Oper entfaltet, gibt es deutliche Anzeichen, dass der Charakter Martin unter großer geistiger Instabilität leidet. Schließlich tötet er seine Frau und ihre Liebhaberin und wird wie Gesualdo zu einem Mörder aus Eifersucht. In seinem Profil auf einem Dating-Portal versucht er sich als missverstandenes Genie darzustellen. Während man hört, wie Nachrichten des Anrufbeantworters unbeantwortet bleiben und Gespräche belauscht werden, in denen man bespricht, dass er nicht gut spielt, nicht übt und nicht auf seine Proben vorbereitet ist. Sie sehen, dass er seine Geige nicht wirklich gut behandelt. Er behandelt das Instrument nicht einmal mit Respekt. Nichts davon passt zu einem musikalischen Genie. Er ist nicht in der Lage, mit seinen Schwächen fertig zu werden. Er hat seine unerfüllten Erwartungen an das Leben, die ihn dazu bringen, sich von manchen Dingen zu trennen. Ich bin mir nicht sicher... Obwohl er genauso von seiner Frau wie von Gesualdo oder von sich selbst besessen ist, zeigt er definitiv narzisstische Neigungen!
Die Partitur wurde teilweise von Gesualdos herzzerbrechender Motette Tristis anima mea beeinflusst. Donnacha (Donnehy) hat diese Motive in die Partitur eingefädelt und der Chor singt nahezu das Original der zweiten Hälfte der Motette, was einen an den griechischen Chor erinnert, der das Geschehen das Stückes kommentiert. In einer früheren Szene sehen wir den Chor tanzen und wie sie wortwörtlich den „Refrain feiern“ und in einer Wohnung Spaß haben. Gesualdo selbst beeinflusst die musikalische und dramatische Entfaltung der gesamten Vorstellung. Amys zweite Arie wird von einer Viola da Gamba sehr prominent (und schön) begleitet. Die Gambe ist die ganze Zeit über in der orchestralen Textur präsent, was diesem jenseitigen und irgendwie uralten Gefühl etwas ganz Neues verleiht.
Dies ist eine sehr zeitgenössische Oper mit verschiedenen neuen Mitteln. Wie bereiten Sie sich auf die Rolle eines solchen Stückes vor? Unterscheidet sich Ihre Herangehensweise stark vom Vorbereitungsprozess für eine eher „traditionelle“ Oper?
Es ist größtenteils ein ähnlicher Prozess, wie wenn ich mich einer traditionelleren Rolle annähere, insofern als dass die Vorbereitung immer mit der Partitur beginnt, unabhängig davon, ob die Musik schon 400 Jahre oder erst zwei Monate existiert! So war die Partitur zwei Monate lang eine Art Bibel für mich, aus der ich in den Proben lernen musste. Ich musste die Partitur verwenden, weil Donnacha eine sehr spezifische Klangwelt hatte. Somit sollte ich vor der Ankunft des Orchesters immer daran denken, welches Instrument im Orchester oder ob ein Duettpartner dabei war, etc... Es kann ein kleiner Schock sein, wenn man vier Wochen mit einem Klavierauszug der zeitgenössischen Musik probt und plötzlich das Orchester mit einer neuen Klangkulisse hinzukommt. Zum Glück hatten wir die MIDI-Datei für die Partitur, die sehr hilfreich war, sowie einen exzellenten Klavierauszug und einen exzellenten Pianisten. Bei der Vorbereitung sieht man deutliche Unterschiede. Man hat Zugang zu einer Palette von künstlerischen Entscheidungen, die bereits von anderen getroffen wurden. Das ist hier nicht der Fall. Offensichtlich ist es etwas Neues, also muss man sich ganz auf sich; und in unserem Fall auf den Komponisten und Dirigenten, verlassen können. Donnacha (Dennehy) im Raum zu haben war absolut unglaublich und Ryan (McAdams) war einfach phänomenal in der Gestaltung des Ganzen und unterstützte uns während des ganzen Prozesses. Wir hatten wirklich Glück, dass er bei uns war! Man kann ändern, was im Proberaum nicht funktioniert hat und Donnacha war in der Lage, während der Proben Korrekturen vorzunehmen. Das ist offensichtlich anders als bei einer traditionellen Rolle. Sie können Mozart leider nicht mehr fragen „Hey, was hast du an dieser Stelle gemeint?“.
In Bezug auf die Inszenierung wird in einer eher traditionellen Oper die Aufmerksamkeit generell (nicht immer, das ist mir bewusst!) um die Bühne herumgeführt und es wird Ihnen vom Regisseur gezeigt, was Sie wann sehen sollen. Doch in dieser Aufführung darf sich der Zuschauer nicht einfach nur zurücklehnen. Eines der Dinge, welches ich an seinem Werk bewundere, ist das offene Ende seiner Erzählung. Er lässt das Publikum das Ende kreieren. So viele Leute, die das Stück gesehen hatten, kamen noch Tage und Wochen später zu mir und erzählten, dass sie sich immer noch nicht für eine Interpretation des Stückes entschieden hatten. Im Theater spielen sich verschiedene Dinge gleichzeitig in mehreren Teilen der Bühne ab. Jemand könnte in der Ecke singen und auf der anderen Seite könnte gleichzeitig ein Kampf ausbrechen, oder es wird etwas auf dem Bildschirm angezeigt. Somit ist es möglich, dass zwei verschiedene Leute zwei unterschiedliche „Versionen“ des Abends erleben. Als Zuschauer müssen Sie sehr wachsam sein, um die gegebenen Informationen aufzunehmen. Oder wie der Dirigent Ryan darauf hinwies, bietet das Stück mehrere Betrachtungswinkel.
Was denken Sie über die Beziehung zwischen Alter Musik und zeitgenössischer Musik?
Es gibt eine sehr starke Verbindung zwischen der Alten und der zeitgenössischen Musik. Momentan arbeite ich Großteils mit barocken und zeitgenössischen Repertoires. Ich denke, beide Stile benötigen eine starke persönliche Stimme des Künstlers. Man hat mit den beiden Repertoires vermutlich mehr Arbeit als mit anderen, aber schlussendlich lohnt es sich. Im barocken Repertoire kann man dem Stück als Künstlerin ein persönliches Markenzeichen geben: Zum Beispiel durch die Ornamente im Da Capo. Man spielt mit der Individualität, wenn man die erste Person ist, die eine Rolle spielt. Das für mich schönste an dieser Oper ist, dass es meine zweite Weltpremiere ist, aber die erste, die speziell für meine Stimme geschrieben wurde. Da man die erste Person ist, die diese Rolle spielt, gibt es keine Playlist auf YouTube mit großartigen Mezzosopranen, die diese Rolle bereits gesungen haben. Sie, zusammen mit dem Komponisten, dem Dirigenten, dem Orchester und den Sängerkollegen, zeigen der Welt dieses Musikstück zum ersten Mal, was für mich persönlich sehr aufregend ist.