Durch Verleumdung in die Armut gedrängt, schließt ein Schmied einen Pakt mit dem Teufel für sieben Jahre Arbeit und ein gutes Leben. Als seine Zeit abgelaufen ist, überlistet er die Boten der Hölle, und wird vor den Toren des Himmels abgewiesen.
Es ist ein seltenes Vergnügen, eine unbekannte Oper zu entdecken, umso mehr, wenn die Opernhäuser gezwungenermaßen geschlossen sind. In der lebendigen, politisch aufgeladenen Inszenierung von Ersan Mondtag verzaubert Schrekers Zauberoper als bunter Cocktail musikalischer Einflüsse, die von Reminiszenzen an Kurt Weill bis zum barocken Kontrapunkt reichen.
Koproduziert mit dem Nationaltheater Mannheim.
Besetzung
Smee | Leigh Melrose |
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Seine Frau | Kai Rüütel |
Astarte | Vuvu Mpofu |
Flipke | Daniel Arnaldos |
Slimbroek | Michael J. Scott |
Herzog von Alba | Leon Košavić |
Der Scharfrichter Jakob Hessels | Nabil Suliman |
Josef | Ivan Thirion |
Maria | Chia-Fen Wu |
Petrus | Justin Hopkins |
Erster Adliger | Thierry Vallier |
Zweiter Adliger | Simon Schmidt |
Dritter Adliger | Onno Pels |
Ein Knappe | Erik Dello |
Chor | Chorus Opera Ballet Vlaanderen |
Orchester | Symphonic Orchestra Opera Ballet Vlaanderen |
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Musik | Franz Schreker |
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Musikalische Leitung | Alejo Pérez |
Staging and scenography | Ersan Mondtag |
Artistic collaborator set | Manuela Illera |
Costume design | Josa Marx |
Lighting Design | Rainer Casper |
Choreografie | Yevgeniy Kolesnyk |
Chorleitung | Jan Schweiger |
Kinderchor | Children’s Chorus Opera Ballet Vlaanderen |
Chorus master children’s chorus | Hendrik Derolez |
Dramaturgie | Till Briegleb, Piet De Volder |
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Handlung
I. Akt
Es ist das späte sechzehnte Jahrhundert, in Gent. In Smees Schmiede arbeiten seine Assistenten hart an Rüstungen und Pflugscharen. Es ist die Zeit des Achtzigjährigen Krieges zwischen Spanien und den Niederlanden. Ein Page kommt mit dem Klappergaul von Sancho d'Avila, dem spanischen General, der 1576 Antwerpen geplündert und niedergebrannt hat. Er warnt Smee, keine "Gueux"-Tricks anzuwenden, woraufhin seine Arbeiter in ein revolutionäres Protestlied einstimmen.
Slimbroek, ein eifersüchtiger Konkurrent, verleumdet ihn vor dem Genter Adel. Smee verliert seine Lebensgrundlage und sieht keine andere Wahl, als sich in der Leie zu ertränken, doch die Zweige eines Baumes halten ihn zurück. Astarte erscheint und schlägt ein faires Geschäft vor: Wenn Smee seine Seele der Hölle verschreibt, wird er sieben Jahre lang mit den Schätzen des Dunklen Königreichs überschüttet. Danach kann er Astartes Liebling werden. Gerade dieses erotische Versprechen überzeugt Smee, den Pakt mit dem Teufel zu unterzeichnen. Nach seiner Rückkehr findet er die Schmiede in ein blühendes Geschäft verwandelt. Stumme Figuren liefern Reichtümer, feine Lebensmittel und üppige Mengen Alkohol. Die Arbeiter sind wieder eifrig dabei, Rüstungen und Pflugscharen zu schmieden.
II. Akt
Sieben Jahre später sitzt Smee niedergeschlagen in seinem Garten. In Erwartung seiner Reise in die Hölle wird sein Gewissen durch die unglücklichen Armen belastet. Gerade als sein Selbstmitleid seinen Höhepunkt erreicht, erscheint die Heilige Familie in Bettelkleidern. Smee und seine Frau nehmen sie bei sich auf und kümmern sich aufmerksam um sie, ohne Kosten zu scheuen. Joseph und Maria enthüllen ihre wahre Identität und bieten Smee drei Wünsche an, die durch das Christkind erfüllt werden. Smee wünscht sich, dass niemand jemals von seinem Pflaumenbaum herunterklettern kann, wenn er es nicht will, niemand von seinem Sessel aufstehen und niemand gegen seinen Willen aus seinem Leinensack entkommen kann. Seine Frau hält ihn für verrückt.
Ein erster Abgesandter der Hölle erscheint, um die Seele Smees einzusammeln. Es ist Magistrat Jacob Hessels, der Inquisitor der Spanier in Gent. Der Schmied manövriert ihn zu seinem Pflaumenbaum, in dem Hessels stecken bleibt. Smee zerschlägt jeden Knochen in seinem Körper und befiehlt Hessels, den Pakt mit dem Teufel zu übergeben. Der erbärmliche Untergebene des Teufels kann ihm nicht helfen, und der Schmied lässt ihn gehen. Als nächster erscheint der Eiserne Herzog von Alba, der skrupellose spanische Gouverneur der Niederlande. Auch er wird von Smee überlistet. Während die Männer ein satirisches Revolutionslied singen, schlagen sie ihn im Sessel, mit dem er am Boden festgenietet ist. Schließlich erscheint Astarte, nackt und mit Wunden bedeckt. Sie bekundet ihre Gefühle für Smee; der Grund, weswegen sie ihn vor dem Selbstmord bewahrt hat. Er verspricht, ihre Wunden zu heilen, die ihr von Gott zugefügt wurden, und steckt sie in seinen Sack. Smees Frau gibt der höllischen Gefangenen eine Nottaufe, woraufhin der Pakt mit dem Teufel ausgehändigt wird. Smee ist wieder ein freier Mann, aber seine Schmiede bricht zusammen, und die Bewohner der Hölle machen sich mit all seinem Reichtum davon.
III. Akt
Smee sitzt auf den Ruinen seiner Schmiede und ist alt geworden. Er nimmt Abschied von seiner Frau und stirbt. Als Geist kommt er in die Hölle, aber dem Hochstapler wird der Zutritt verweigert, weil er die Geschöpfe der Hölle misshandelt hat. Smee wählt den Weg in den Himmel, aber der heilige Petrus lässt ihn nicht ins Paradies, weil er das Füllhorn trägt, Astartes letzte dämonische Gabe. Bei dieser Ablehnung beschließt Smee, eine Taverne an der Himmelspforte zu eröffnen.
Slimbroek und Flipke erscheinen im Himmel und schließlich Smees gewiefte Frau, der sofort der Eintritt ins Paradies gewährt wird. Smee versucht, sich unter ihrem Rock versteckt einzuschleichen. Der heilige Petrus durchschaut den Trick und erkennt ihn als Söldner des Teufels. Dann erscheint Joseph mit dem himmlischen Heer und befiehlt Smee, seine guten und schlechten Taten zur Zugangsberechtigung aufzulisten.
Smee rechtfertigt den Pakt mit dem Teufel damit, dass er so viel Freude am Leben hatte, was Joseph ablehnt, doch dass Smee in Zeeland gegen die Spanier gekämpft hat, überzeugt ihn. Als der Schmied erzählt, wie er Hessels, Alba und Astarte verprügelt hat, ist ein Seufzer der Erleichterung im Himmel zu hören. Smee erhält Einlass und die Engel singen ein Halleluja.
Einblicke
Die kaleidoskopische Welt von Der Schmied von Gent
Nach seinem ersten Durchbruch mit Der Ferne Klang 1909 stand Franz Schrekers erfolgreiche Opernkarriere vor seinen Augen kurz vor dem Abgrund. Die Uraufführung von Der Schmied von Gent am 29. Oktober 1932 in Berlin wurde durch rechte Zwischenrufer gestört. Innerhalb weniger Jahre wurde der österreichisch-jüdische Komponist nicht mehr als die Zukunft der deutschen Oper gefeiert, sein entartetes Werk wurde verboten und er verlor seine angesehenen Lehraufträge. Er starb am 21. März 1934, zwei Tage vor seinem 56. Geburtstag, in Berlin. Nachdem er weitgehend vergessen war, wurde Der Schmied von Gent 1981 in einer Inszenierung der Berliner Staatsoper wiederentdeckt. Die überbordende Inszenierung des Opera Ballet Vlaanderen, die im Februar 2020 präsentiert wurde, ist lediglich die 4. Aufführung der Oper in unserer Zeit.
Es liegt eine reizvolle Symmetrie in der Tatsache, dass die Oper in die Stadt angekommen ist, in der die Geschichte ihren Ursprung hat. Schreker hat das Libretto selbst geschrieben. Nach der Erzählung des belgischen Schriftstellers Charles De Coster spielt die Handlung im 16. Jahrhundert, während der spanischen Herrschaft über Flandern. Schreker transformierte das Märchen von Smidje Smee und zeigte die Gerissenheit des einflussreichen Schmiedes Smee, der im Umgang mit der Besatzungsmacht seine patriotische, freiheitsliebende Art nie verleugnet hat. Schreker wollte mit Der Schmied von Gent eine Volksoper neuen Typs geschaffen haben und bezeichnete sie brüghelianisch. Und in der Tat unterscheidet sie sich von seinen früheren Werken, die unerbittlich die Abgründe der Psyche seiner Protagonisten kartographierten. Hier taucht er lieber in eine Märchenwelt ein. Auch musikalisch veränderte Schreker sich kurz vor Toresschluss, wobei er sich von seinen früheren postromantischen Tendenzen entfernte und eine Vielzahl von Einflüssen aufnahm, die von der Neuen Sachlichkeit über die Zeitoper bis hin zu neobarocken Elementen reichten.
Das Enfant terrible der deuschen Theaterregie Ersan Mondtag bietet mit seinem Operndebüt eine anschauliche, schillernde Interpretation, in der Schrekers stilistische Vielseitigkeit auf halluzinatorische Bilder trifft. Doch lassen Sie sich nicht von der expressionistischen Skurrilität täuschen: die leuchtenden Kostüme, die Drehbühne mit der Darstellung des mittelalterlichen Gent auf der Vorderseite und einem kinderfressenden Dämon auf der Rückseite. Die Inszenierung scheut nicht die düsteren Themen, die die dunkelsten Stunden der belgischen Geschichte hervorheben. Mondtag erklärt: „Es gibt viele Möglichkeiten, die Geschichte von Smee zu sehen. Er schließt einen Pakt mit dem Teufel, was ihn in kurzer Zeit unermesslich reich macht. Dann will er den vereinbarten Preis nicht bezahlen. Diese Geschichte ist der Geschichte des Kolonialismus sehr ähnlich: Reichtum erwerben, indem man ein Land ausraubt, diesen Reichtum dann benutzt, um zum Beispiel einen riesigen Bahnhof zu bauen - wie es in Antwerpen geschah - und diese Transaktion danach nie zu begleichen‟.
Fast 240 Jahre trennen die 1648 geschlossenen Verträge des Westfälischen Friedens, die den Achtzigjährigen Krieg beendeten und schließlich die Unabhängigkeit der Niederlande anerkannten, und die Kongo-Konferenz von 1884, mit der König Leopold II. die Kaiserherrschaft erlangte. Und doch wirft die Inszenierung die Frage nach einem Zusammenhang zwischen diesen beiden historischen Ereignissen auf. „Ist es denkbar‟, spekuliert der Dramaturg Till Briegleb, „dass die Terrorisierung Flanderns während des Achtzigjährigen Krieges die Ursache für den fast achtzigjährigen Terror ist, den Belgien in Zentralafrika verübt hat?‟ Auch wenn eine Oper eine so komplexe Frage vielleicht nicht beantworten kann, nutzt Mondtag diese willkommene Gelegenheit, um auf die nachwirkenden kollektiven Traumata durch Gewalt und Repression hinzuweisen.
Mondtags Deutung von Der Schmied von Gent als einen Gründungsmythos über die Ausbeutung des Kongo durch Leopold II. ist eine Aufführung wie keine andere. In den ersten beiden Akten arbeitet er eng am Text: Obwohl die Handlung ahistorisch ist, ist sie weiterhin sichtbar in Flandern angesiedelt. Im 3. Akt verdichtet sich die Handlung jedoch. Subtile Anspielungen auf die afrikanische Kunst flammen plötzlich auf, und Smee kehrt als Geist Leopolds II. zurück. Nach seinem Tod wird er in die Hölle geschickt, die unheimlich an den Kongo erinnert. Wie die unerwartete Unterbrechung durch die Unabhängigkeitsrede von Patrice Lumumba bezeugt, ist der Kongo nun frei. Frei, ihm den Zugang zu verweigern, so dass Smee zurückgehen muss. Stattdessen wagt sich Smee-bzw-Leopold II an die Himmelspforte. Wieder abgelehnt, findet sich Smee in einem Museum wieder, in dem er einen Waffelstand betreibt. Er beichtet also seine Sünden und ihm wird Absolution erteilt, was einen ganz anderen Beigeschmack erhälte, wenn es sich nun um den Imitator des belgischen Königs handelt. Kann die Absolution so leicht erteilt und das Trauma so leicht überwunden werden?