Oper Stuttgart

I puritani

Bellini
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Ein junges Paar voller Leidenschaft gerät in einen Konflikt zwischen verfeindeten politischen Gruppierungen. Wird bei all diesen Verstrickungen aus Polit-Intrigen, Täuschung und Wahnsinn die Macht ihrer Liebe siegen?

Bellinis letzte Oper I puritani, die während des Bürgerkriegs in England spielt, stellt den Konflikt zwischen königstreuen Cavalieri und den rebellische Puritanern dar. Das mitreißende Historiendrama und die romantischen Intrigen entlockten dem Komponisten eine schwärmerische Musik von melancholischer Intensität. In dieser Produktion wird erstmals die Gesamtpartitur dargeboten, die für die Pariser Erstaufführung des Werkes geschrieben wurde.

Besetzung

Lord Gualtiero Valton
Roland Bracht
Elvira
Ana Durlovski
Lord Arturo Talbo
René Barbera
Enrichetta di Francia
Diana Haller
Sir Riccardo Forth
Gezim Myshketa
Sir Bruno Roberton
Heinz Göhrig
Chor
Staatsopernchor Stuttgart
Orchester
Staatsorchester Stuttgart


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Musik
Vincenzo Bellini
Dirigent
Manlio Benzi
Text
Carlo Pepoli
Chorleitung
Christoph Heil
Stage Directors & Dramaturgs
Jossi Wieler, Sergio Morabito
Set & Costume Designer
Anna Viebrock
Licht
Reinhard Traub
Videoregie
Marcus Richardt
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Video

Trailer

TRAILER | I PURITANI Bellini – Oper Stuttgart

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Teaser

TEASER | I PURITANI Bellini – Oper Stuttgart

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Handlung

Um 1650, England im Bürgerkrieg zwischen den königstreuen Kavalieren und den puritanischen Rundköpfen unter Oliver Cromwell. König Karl I. wurde enthauptet, die Königsfamilie der Stuarts ist nach Frankreich geflohen.

I. Akt

Elvira träumt sich aus den Mauern der von den Königstreuen belagerten Puritaner-Festung, die ihr Vater Lord Valton kommandiert. Doch dem Schicksal, gegen ihren Willen mit dem Puritaner Riccardo verheiratet zu werden, kann sie nicht entrinnen. Die Hochzeitsvorbereitungen nehmen ihren Lauf.

Nur der Bräutigam Riccardo hat erfahren, dass der Vater sein ihm gegebenes Heiratsversprechen zurückgenommen hat und in die Liebesheirat Elviras mit dem Kavalier Arturo einwilligt. Riccardo verliert jeden Halt.

Auf der Flucht vor der Zwangsehe begegnet Elvira ihrem „zweiten Vater“: Onkel Giorgio. Giorgio tröstet sie und erzählt ihr, wie es ihm gelungen sei, ihren Vater Lord Valton umzustimmen. In den ungläubigen Jubel Elviras mischen sich festliche Willkommensrufe, die Arturos Ankunft in der Burg ankündigen.

Elvira, von Giorgio unterstützt, inszeniert eine Hochzeit nach ihren Vorstellungen. Die völlig überraschten Puritaner geraten in den Sog von Elviras und Arturos Liebe.

Elviras Vater Lord Valton wird jedoch nicht an der Hochzeit teilnehmen, da er eine Gefangene vor das Londoner Parlament führen muss, in der man eine Spionin der Stuarts vermutet. Er händigt Arturo einen Passierschein aus, mit dem er und seine Braut die Festung verlassen können.

In einem unbeobachteten Moment bietet Arturo der Gefangenen seine Hilfe an. Sie gibt sich ihm als Enrichetta, Witwe Karls. I, zu erkennen. Arturo, dessen Vater im Kampf für die Stuarts fiel, ist sofort entschlossen, sie vor der drohenden Hinrichtung zu retten. Die Möglichkeit zur Flucht eröffnet sich, als Enrichetta auf Bitten Elviras zur Probe den Hochzeitsschleier aufsetzt. In dieser Verhüllung wird man sie für Arturos Braut halten und die Tore passieren lassen.

Da stellt sich ihnen Riccardo in den Weg. Aber als Riccardo erkennt, dass sich unter dem Brautschleier nicht die begehrte Elvira, sondern die Staatsgefangene verbirgt, ermöglicht er ihnen die Flucht.

Als Elvira Arturo an der Seite einer anderen Braut aus der Burg entkommen sieht, stürzt ihre Traumwelt zusammen. Ihr bleibt nur noch die Flucht in den Wahnsinn.

II. Akt

Die Puritaner wurden von den Belagerern von der Außenwelt abgeschnitten. Nach der Verführung durch den verhassten Arturo reinigen sie sich und die Burg. Giorgio berichtet vom Delirium der wahnsinnigen Elvira.

Riccardo erklärt sich selbst zum Stellvertreter Oliver Cromwells und den Rivalen Arturo für vogelfrei. Elvira erscheint. Durch ihre Identifikation mit Enrichetta versucht sie an ihrer Hoffnung auf Befreiung festzuhalten. Giorgio konfrontiert Riccardo mit seiner Mitschuld an der Flucht Arturos mit der Staatsgefangenen. Er fordert Riccardo auf, auf seine Privatrache zu verzichten, da der Tod Arturos auch für Elvira den Tod bedeuten würde. Nach langem Widerstand willigt Riccardo ein. Nur wenn Arturo sich den Puritanern in offener Schlacht entgegenstellt, darf ihn Riccardo dem Kriegsrecht gemäß töten.

III. Akt

Arturo hat Enrichettas Flucht nach Frankreich begleitet. Unter Todesgefahr kehrt er nach drei Monaten in die Heimat zurück. Bei Kampfhandlungen hat er sein Augenlicht verloren. Er findet Elvira, als er sie ihr gemeinsames Liebeslied singen hört. Er bittet sie für die Rettung der Königin um Verzeihung und beteuert ihr seine Liebe.
Arturos Verfolger tauchen auf. Elvira verhindert Arturos Flucht und liefert ihn den Puritanern aus. Das Todesurteil soll an ihm vollstreckt werden. Erst jetzt erkennt Arturo das ganze Ausmaß seiner Schuld.

Die Nachricht, dass Cromwell siegreich war und alle Gegner begnadigt sind, wendet noch einmal das Blatt.

Einblicke

Elviras Traumfabrik

Bellinis musikalische Gestaltungskraft entfesselt sich

In I puritani hat Bellini sich neu erfunden. Zwei Voraussetzungen haben sich dabei ausgewirkt. Erstens musst Bellini erstmals seit seinem Durchbruch mit Il pirata (1827) ohne Felice Romani zurechtkommen, mit dem er sieben seiner seither insgesamt neun Opern geschaffen hatte. Bellinis wortbezogenes Komponieren hatte sich immer wieder an der Eleganz von Romanis Versen entzündet, welcher ihm mit seinen stringenten Adaptionen französischer und italienischer Dramen und Romane durchdachte und gut strukturierte Libretti geliefert hatte. 

Nach dem Zerwürfnis mit Romani aufgrund gegenseitiger Schuldzuweisungen am Fiasko der Beatrice di Tenda (1833) entschied Bellini, seine neue Oper für das Pariser Théâtre Italien in Zusammenarbeit mit dem im Pariser Exil lebenden Lyriker Carlo Pepoli zu schaffen. Pepoli, der keinerlei Theatererfahrung besaß, war kein gleichberechtigter, sondern ein reagierender Partner. Das dramaturgische Kalkül Romanis, seine rationale Kontrolle des Schaffensprozesses entfiel. Dies trug zu einer rauschhaften Entfesselung und Eigendynamik von Bellinis musikalischer Gestaltungskraft bei, die die szenische Logik immer wieder transzendiert.

Zweitens steigerte melodisch-harmonischen Entgrenzung seines Komponierens das „ozeanische Gefühl“ noch einmal. In dieser seiner einzigen nicht für Italien geschriebenen Oper hat Bellini seinem Schaffen den harmonischen und koloristischen Reichtum der nachklassischen Orchesterkultur erschlossen, der in Frankreich traditionell auch in der Oper ein hohen Stellenwert einnahm. Es ist das instrumentale Gewebe, das zwischen den einzelnen Nummern motivischen und melodischen Zusammenhang stiftet. Die Staffelung und Ausweitung des Klangraumes durch die räumliche Aufstellung von Solostimmen, Chor und Instrumentengruppen jenseits des Bühnenraumes führt zu fast schon impressionistischen Effekten.

Die Verklärung der puritanischen Welt

So hat auch das orchestrale Geschehen entscheidend Anteil an Bellinis kompositorischer Strategie, die eher auf die rauschhafte Steigerung und Verzauberung des szenischen Geschehens zielt als auf dessen musikdramaturgische Beglaubigung. Dass seine schönheitstrunkene Musik die von Musik-, Tanz- und Theaterverboten geprägte Welt der Puritaner verklärt, ist wohl das entwaffnendste Geschenk, das Bilderstürmern je zuteil geworden ist. Und so ist diese Oper, in der Bellini sich am dichtesten der Ästhetik des mit Realien gesättigten Historiendramas anzunähern scheint, in Wahrheit unter allen seinen Opern die einzig phantastische, ja märchenhafte. 

Genau um dieses Paradoxes willen muss sich unsere Inszenierung auf das Spiel mit der historischen Imagerie des englischen Bürgerkriegs einlassen, wenn anders deren phantastische Verfremdung theatralisch konkret erfahrbar werden soll. Mit einer großartigen Phantasieleistung deutet die Musik das szenische Geschehen immer wieder selbstherrlich um und beugt es unter ihr eigenes Gesetz. Man ist versucht zu sagen: Die Partitur unterzieht die Narration des Librettos ihrer Traumarbeit im Dienste halluzinatorischer Wunscherfüllung. Der „Wahnsinn“, die Schizophrenie Elviras ist nicht allein ein wesentliches Moment der Handlung. Die Flucht aus einer unerträglichen Realität in die Phantasie ist weniger von außen geschildertes Handlungsmoment, als dass sie die Erzählform begründet und sich vor den Sinnen der Zuschauer offen vollzieht. Die Dramaturgie von I puritani zeigt uns die Traumfabrik Elviras bei der Arbeit. 

Eben noch haben die puritanischen Glaubenskrieger angekündigt, „das Lager der Stuarts in Asche zu verwandeln“, da lässt man die Zugbrücke der doch eigentlich belagerten Burg herab, um einem gefürchteten Krieger der Gegenseite einen umjubelten Empfang zu bereiten – mitten im Verlauf eines Kriegsgeschehens, das sich über alle drei Akte der Oper erstreckt. Der Librettist hält es nicht einmal für notwendig, Arturo mit einer in solchen Fällen üblichen vorgetäuschten Identität zu versehen.

Verdoppelungen und Traumgedanken

Mit Arturo steht also plötzlich auch ein „zweiter Bräutigam“, und diesmal: der Wunschbräutigam vor der Tür. Wenig später wird Arturo von Elviras Vater ein Passierschein ausgehändigt, der dem Paar das Verlassen der Festung ermöglicht. Im gleichen Atemzug erklärt Elviras „erster Vater“, warum er an der Hochzeit nicht teilnehmen wird, bei der ihn Giorgio als „zweiter Vater“ vertreten soll: Er muss eine politische Gefangene dem Parlament in London vorfü hren, was einem Todesurteil gleichkommt. Elviras Traum zerbricht, da mit der Gefangenen letztlich auch noch eine „zweite Braut“ auf den Plan getreten ist, die, gehüllt in Elviras weithin wehenden Schleier, an der Seite Arturos in die ersehnte Freiheit davonstürmt.

So erweisen sich auf psychoanalytischer Ebene alle Ungereimtheiten, die die Erzählung dieser Oper zu disqualifizieren scheinen, als erstaunlich kohärent. Der – in Freuds Terminologie – „latente Traumgedanke“ dieser Oper liegt in der Identifikation Elviras mit der Gefangenen aufgrund der gemeinsamen existentiellen Bedrohung durch die Befehlsgewalt des Vaters; der zugrundeliegende Wunsch ist die Evasion aus dessen Machtbereich.

Aus einem längeren Artikel von Sergio Morabito, der erstmals im Juli 2016 im Programmbuch erschien.